Prozess zu syrischer Staatsfolter vor Gericht in Koblenz begonnen

epd-bild/Juergen Blume
Die Angeklagten sind in Untersuchungshaft
Amnesty: Meilenstein für Aufarbeitung schwerer Menschenrechtsverletzungen
In Koblenz hat ein historischer Prozess begonnen: Zwei mutmaßliche Ex-Geheimdienstfunktionäre aus Syrien müssen sich wegen Folter verantworten. Menschenrechtsorganisationen verbinden mit dem Verfahren große Hoffnungen.

Koblenz (epd). Der weltweit erste Prozess zu Staatsfolter in Syrien hat am Donnerstag in Koblenz mit der Verlesung der Anklageschrift begonnen. Verantworten müssen sich zwei mutmaßliche Ex-Geheimdienstfunktionäre der Regierung von Baschar al-Assad. Menschenrechtsorganisationen würdigten den Prozessauftakt als Meilenstein für die Aufarbeitung schwerer Menschenrechtsverletzungen in Syrien. Am Freitag sollen erste Zeugen vernommen werden, wie eine Gerichtssprecherin dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. Das Oberlandesgericht Koblenz hat bislang 23 Prozesstage bis zum 13. August angesetzt.

Anwar R. und Eyad A. werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Sie sollen für die Folter zahlreicher Menschen in einer Haftanstalt des Geheimdienstes mitverantwortlich gewesen sein. Anwar R. wird als Mittäter beschuldigt. Im Zusammenhang damit wird ihm laut Anklage Mord in 58 Fällen, Vergewaltigung und schwere sexuelle Nötigung zur Last gelegt. Er leitete den Angaben zufolge eine Ermittlungseinheit des syrischen Allgemeinen Geheimdienstes mit angeschlossenem Gefängnis.

2019 in Deutschland festgenommen

Gegen Eyad A. besteht der Bundesanwaltschaft zufolge ein Tatverdacht der Beihilfe. Er sei in einer Unterabteilung beschäftigt gewesen, die der Ermittlungsarbeit von Anwar R. zuarbeitete. Dabei habe er im Herbst 2011 die Folterung von mindestens 30 Menschen ermöglicht.

Die beiden Beschuldigten verließen Syrien laut Bundesanwaltschaft vor rund sieben Jahren und kamen 2014 beziehungsweise 2018 nach Deutschland. Sie wurden im Februar 2019 festgenommen. Nach dem Weltrechtsprinzip können Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit überall geahndet werden, ganz gleich, wo die Taten verübt wurden. In Deutschland ist dies durch das Völkerstrafgesetzbuch von 2002 geregelt.

Menschenrechtler sehen Prozess als Meilenstein

Von dem Prozess erhoffen sich Opfer und Menschenrechtler eine Signalwirkung. Das Verfahren könne helfen, den Weg für internationale Verfahren und letztlich zur Strafverfolgung der Spitze des syrischen Regimes zu ebnen, erklärte die Berliner Organisation ECCHR. Amnesty International sprach von "einem Meilenstein im Kampf gegen die Straflosigkeit von schwersten Menschenrechtsverletzungen in Syrien", Human Rights Watch von einem "Lichtblick für Syrien". Die Verbrechen dort hielten an, betonten Betroffene und Menschenrechtsorganisationen.

Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) nannte den Prozess historisch: "Erstmals werden tausendfache schreckliche Folterungen und Misshandlungen vor einem unabhängigen Gericht in Deutschland verfolgt", sagte sie. "Hiervon geht die klare Botschaft aus: Kriegsverbrecher dürfen sich nirgendwo sicher fühlen."

Der Deutsche Richterbund würdigte den Prozess als "ein wichtiges Signal für den konsequenten Schutz der Menschenrechte durch die deutsche Justiz". Die Bundesanwaltschaft führe derzeit mehr als 100 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten gegen das Völkerrecht, die unter anderem in Syrien, Irak, Libyen, Afghanistan, Mali, Nigeria, Gambia, Elfenbeinkünste und Kongo begangen worden seien, sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn.

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