"Alan Kurdi" mit 150 Flüchtlingen an Bord beklagt Versorgungsengpass

epd-bild/Christian Ditsch
150 Flüchtlinge warten an Bord der "Alan Kurdi" auf einen sicheren Hafen. (Archivbild)
Hilfsorganisation: «Bundesregierung ruft zum Ertrinken lassen auf»
Die Corona-Krise lähmt die Seenotrettung im Mittelmeer. Während die "Alan Kurdi" auf eine Lösung für 150 Gerettete wartet, sorgt ein Appell des Bundesinnenministeriums für Empörung.

Regensburg/Rom (epd). Das deutsche Rettungsschiff "Alan Kurdi" mit 150 Flüchtlingen an Bord im Mittelmeer ist dringend auf der Suche nach einem sicheren Hafen. Noch nie seien so viele Gerettete an Bord gewesen, sagte Sea-Eye-Sprecher Gorden Isler dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag. Dieser Zustand sei untragbar. Die beengten Verhältnisse auf dem Schiff könnten schnell zu kleineren Konflikten führen. Das Schiff wird von der Regensburger Organisation Sea-Eye betrieben.

Die Seenotrettungsorganisationen kritisieren einen Aufruf des Bundesinnenministeriums, die Rettung wegen der Corona-Pandemie einzustellen. "Das Innenministerium überschreitet absolut seine Kompetenzen", sagte der Sprecher von Sea-Watch, Ruben Neugebauer dem epd. Der Brief des Ministeriums komme eine Aufforderung gleich, Menschen ertrinken zu lassen. "Durch die Corona-Krise verschwinden die anderen Krisen nicht." Die Not der Geflohenen bleibe genauso bestehen wie die völkerrechtlich verankerte Verantwortung, ihnen zu helfen.

Kritik am Bundesinnenministerium

Das Innenministerium hatte in einem Brief an die Seenotrettungsorganisationen, der dem epd vorliegt, auf die Ankündigung Italiens und Maltas verwiesen, keine privaten Rettungsschiffe mehr in ihre Häfen zu lassen. Da davon auszugehen sei, dass die Schiffe keinen Aufnahmehafen im Mittelmeer finden, sollten keine neuen Fahrten aufgenommen und bereits in See gegangene Schiffe zurückgerufen werden, hieß es in dem Schreiben.

Auch SOS Méditerranée kritisierte die Entwicklung. Damit werde internationales Recht außer Kraft gesetzt. "Schiffskapitäne sind verpflichtet, Überlebende an einem sicheren Ort an Land zu bringen, und Staaten sind gesetzlich verpflichtet, bei der Bereitstellung eines sicheren Ortes zu kooperieren", erklärte die Organisation, die gemeinsam mit "Ärzte ohne Grenzen" das Rettungsschiff "Ocean Viking" betreibt. "Menschen fliehen weiterhin auf seeuntüchtigen Booten. Mit geschlossenen Häfen werden mehr Menschen dem Ertrinken überlassen."

Für alternative Lösungen einsetzen

Die Rettungsorganisationen riefen die anderen EU-Länder dazu auf, die Mittelmeeranrainer zu unterstützen und sich für alternative Lösungen für eine weitere Seenotrettung einzusetzen. Die Bundesregierung habe mit der Ausnahmeregelung für Erntehelfer aus Osteuropa bewiesen, dass sie in der Lage sei, schnell zu handeln. "Offensichtlich ist dem Innenministerium die Rettung des Spargels wichtiger als die von Menschenleben", sagte Neugebauer. Mit den gleichen Mitteln, wie die Erntehelfer nach Deutschland gebracht würden, könnte man beispielsweise die Geretteten der "Alan Kurdi" ins Land bringen.

Eine andere Möglichkeit ist laut Neugebauer eine Rettung im Mittelmeer mit Schiffen der EU-Mission "Irini", die das Waffenembargo gegen Libyen kontrollieren soll, allerdings absichtlich nicht dort patrouilliert, wo die Flüchtlingsboote Richtung Europa fahren. "Aber es wird nichts unternommen."

Die "Alan Kurdi" hatte die 150 Flüchtlinge am Montag vor der libyschen Küste an Bord genommen. Die Menschen saßen den Angaben zufolge ohne Rettungswesten in zwei überfüllten Holzbooten. Die Bundesregierung hatte am Mittwoch erklärt, sie sei mit allen Beteiligten im Gespräch, um eine Lösung zu finden.

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