Die andere Corona-Krise: Afrika leidet mehrfach unter dem Virus

epd-bild/Christoph Püschner/Brot für die Welt
Eine geflüchtete Frau in einem Camp im Grenzgebiet zwischen Mali und Burkina Faso (Archivbild)
Während in Europa alle Augen auf Corona gerichtet sind, fürchten Helfer in Afrika, dass ihre Krisen in Vergessenheit geraten. Die UN warnen vor dramatischen Folgen.

Genf, Ouagadougou (epd). Die Gewalt, die Burkina Faso derzeit erlebt, ist ohne Beispiel für den westafrikanischen Sahelstaat: Fast täglich überfallen Bewaffnete Dörfer, vergewaltigen und morden, plündern und foltern. Unter ihnen sind Islamisten, die gegen den Staat und untereinander kämpfen. An die 800.000 Einwohner haben inzwischen die Flucht ergriffen und fristen ihr Dasein in Zeltstädten. Dort sind sie - wie Menschen in anderen Kriegs- und Krisengebieten - dringend auf Hilfe angewiesen. Doch das Coronavirus bedroht die Hilfsbedürftigen gleich mehrfach.

Zum einen ist da das Virus selbst: Trotz aller Bemühungen seien die Umstände in Flüchtlingslagern und Sammelunterkünften so, dass ein Schutz gegen das Virus kaum möglich sei, warnt Kristina Rauland-Yambré von der Organisation "Help - Hilfe zur Selbsthilfe": "Burkina Faso ist das Land in der Region, das bisher die meisten Corona-Fälle verzeichnet." Die Gesundheitsversorgung könne schon den normalen Bedarf nicht decken, sagt Rauland-Yambré. Eine Ausbreitung von Corona werde die vorhandene Krise weiter verschärfen. Ähnliches gilt für den Rest des Kontinents.

"Erwartet das Schlimmste"

Zwar ist Afrika mit etwa 250 bestätigten Infektionen und bislang wenigen Todesfällen derzeit noch der am geringsten von Corona betroffene Kontinent, wie der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, am Mittwoch sagte. "Dennoch lautet der beste Rat für Afrika: Erwartet das Schlimmste und bereitet Euch darauf vor." Vermutlich gebe es Fälle, die nicht erfasst seien. Doch selbst wenn die Zahlen tatsächlich so niedrig seien wie berichtet, habe man in anderen Teilen der Welt gesehen, wie schnell sie steigen könnten, erklärte Tedros. Dazu kommt die Tatsache, dass die Gesundheitssysteme in Afrika so schlecht ausgestattet sind wie kaum sonst irgendwo auf der Welt.

Die Entwicklungshilfe in Afrika wird schon jetzt durch das Coronavirus beeinträchtigt. Partnerorganisationen hätten wegen Auflagen ihrer Regierungen erste Aktivitäten streichen müssen, sagt Martin Größ-Bickel, der bei "Brot für die Welt" das Referat für Ostafrika und das Horn von Afrika leitet. Derzeit sortiere man sich: "Wir reden mit unseren Partnern und werden sicher Lösungen finden." Die Arbeit könnten die Partner zunächst alleine fortsetzen. Das müssen sie auch, weil Flugreisen in die Region vorerst ausgesetzt sind.

Andere Hilfsaufrufe drohen leer auszugehen

Die langfristigen Folgen für die Entwicklungs- und die Nothilfe könnten indes ungleich dramatischer sein, warnt die UN-Nothilfekoordination (Ocha). "Während wir das Coronavirus bekämpfen, müssen wir entscheidende humanitäre Hilfe aufrecht erhalten", fordert Ocha-Sprecher Jens Laerke. "Wenn eine Krise im Rampenlicht steht, darf das nicht heißen, dass andere im Schatten verschwinden." Auf 675 Millionen US-Dollar beläuft sich der Spendenaufruf der WHO für die Corona-Krise, zehn Millionen hat alleine der Fußballweltverband Fifa gespendet. Andere Hilfsaufrufe drohen leer auszugehen. Von den 295 Millionen für Burkina Faso etwa sind nur 0,6 Prozent finanziert.

Dennoch zweifelt Kristina Rauland-Yambré nicht daran, dass den Ärmsten auch künftig geholfen wird. "Wir versuchen, unsere Strategien anzupassen, und profitieren außerdem von Strukturen für die Prävention, die während der Ebola-Krise von 2014 bis 2016 vereinbart wurden und auf denen man aufbauen kann." Ob und wie die Corona-Pandemie die Hilfe in Afrika verändern wird, kann auch Größ-Bickel noch nicht abschätzen. "Nach Ebola wurden Schwerpunkte anders gesetzt, aber noch ist es zu früh, um das für Corona zu beurteilen", sagt er.

Derzeit müssen Helfer erst mal alles tun, um weiter arbeiten zu können. Ocha-Sprecher Laerke sagt, momentan seien alle Landesbüros dabei, humanitäre Einsätze zu überprüfen und mögliche Störungen zu beheben. Gleichzeitig würden Helfende und Hilfsbedürftige so gut wie möglich vor dem Coronavirus geschützt. "Es ist entscheidend, dass Ressourcen und Kapazitäten nicht von den laufenden Einsätzen abgezogen werden, die Leben retten", betont Laerke.

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