Frankfurt a.M., Den Haag (epd). Trotz heftiger Kritik der USA erlaubt der Internationale Strafgerichtshof seinen Anklägern Ermittlungen zu mutmaßlichen Kriegsverbrechen in Afghanistan. Eine Berufungskammer gab am Donnerstag in Den Haag grünes Licht und hob damit einen anderslautenden Beschluss vom April 2019 auf. Die Ermittlungen können sich auf afghanische Regierungsstellen, Taliban und andere Rebellen beziehen, aber auch auf Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter der USA und anderer Staaten.
Menschenrechtler begrüßen den Richterspruch
Menschenrechtler begrüßten die Entscheidung. Das Urteil bringe Afghanen, die seit langem nach Gerechtigkeit suchten, Hoffnung, dass sie eines Tages Wirklichkeit werde, erklärte Patricia Gossman von "Human Rights Watch" auf Twitter. Der Gerichtshof stärke seine Rolle als eine Institution, die zur Gewohnheit gewordene Straflosigkeit nicht einfach hinnehme. Wenn nach dem Abkommen zwischen den USA und den Taliban vom Samstag afghanische Friedensgespräche geführt würden, müsse die Aufarbeitung der Verbrechen eine wichtige Rolle spielen.
Die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission sprach von einer willkommenen Nachricht für die Opfer des Krieges. Aus den USA kamen unterschiedliche Reaktionen. Während US-Menschenrechtler wie Katherine Gallagher den Richterspruch als "Sieg auf der ganzen Linie" feierten, bezeichnete der Anwalt Jay Sekulow die geplanten Ermittlungen als verstörend und empörend. Er wirbt um Unterschriften für eine Petition unter dem Titel: "Keine Strafverfolgung für unsere tapferen Soldaten".
Genügend Hinweise für Aufnahme von Ermittlungen
Die Erlaubnis zu ermitteln, bezieht sich laut Gericht auf mögliche Verbrechen, die nach dem 1. Mai 2003 auf afghanischem Territorium begangen wurden. Zugleich gilt sie auch für Taten in Mitgliedsstaaten des Gerichts ab 1. Juli 2002, die in Zusammenhang mit Afghanistan stehen. Die USA sind kein Mitglied des Tribunals und haben Widerstand angekündigt. Afghanistan ist dem Gründungsvertrag des Gerichts dagegen beigetreten.
Die Chefanklägerin Fatou Bensouda hatte im November 2017 bei den Richtern die Zustimmung für ein formales Ermittlungsverfahren beantragt. Der Internationale Strafgerichtshof ist zuständig für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord.
Die Chefanklägerin hatte argumentiert, es gebe genug Hinweise, dass 2003 und 2004 US-Kräfte in Afghanistan Folter, grausame Behandlungen, Verstöße gegen die persönliche Würde, Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt verübt hätten. Das gelte auch für CIA-Geheimgefängnisse in Polen, Rumänien und Litauen.
US-Außenminister Mike Pompeo hatte bereits vor einem Jahr erklärt, Mitarbeitern des Strafgerichtshofs wie Bensouda die Visa für die USA zu entziehen. Die US-Regierung sei entschlossen, ihre Bürger vor ungerechter Strafverfolgung zu schützen, betonte er.
Die UN-Mission in Afghanistan hat die Tötung von mehr als 17.000 Zivilisten durch die Taliban seit 2009 dokumentiert, aber auch Todesfälle durch afghanische und ausländische Truppen.
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