Berlin, Santiago (epd). In Chile haben sich in einer ersten Abstimmung laut Hochrechnungen mehr als 90 Prozent der Wähler für eine neue Verfassung ausgesprochen. An der Online-Abstimmung in rund 225 Gemeinden hätten sich 2,1 Millionen Chilenen beteiligt, berichtete die Zeitung "La Tercera" am Sonntagabend (Ortszeit) nach Schließung der Wahllokale. Damit sei die Wahlbeteiligung sehr viel höher als erwartet, sagte der Bürgermeister von Santiago, Felipe Alessandri.
Die Ausarbeitung einer neuen Verfassung ist eine der Forderungen der Protestbewegung in Chile. Regierung und Opposition haben sich bereits darauf geeinigt. In einer Reihe von Konsultationen auf Gemeindeebene können die Chilenen jetzt über die Hauptforderungen abstimmen, die in der neuen Verfassung aufgenommen werden sollen. Wenn der neue Text ausgearbeitet ist, soll es ein weiteres Referendum geben.
Macht konzentriert sich bei der Zentralregierung
Chiles Verfassung von 1980 stammt noch aus der Zeit der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet (1973 bis 1990). Trotz zahlreicher Reformen gibt es Kritik an dem autoritären Ursprung. Das Mitspracherecht der Bürger ist in der Verfassung sehr begrenzt und die Macht konzentriert sich bei der Zentralregierung.
Seit Ende Oktober wird Chile von einer Protestwelle erfasst. Immer wieder kam es zu schweren Ausschreitungen, bei denen nach offiziellen Angaben mehr als 20 Menschen getötet wurden. Menschenrechtsorganisationen kritisieren eine ausufernde Polizeigewalt gegen die Demonstranten.
Ursprünglich hatten sich die Proteste an einer Erhöhung der Fahrpreise für die Metro in Santiago entzündet - die inzwischen zurückgenommen wurde. Der Unmut der Bevölkerung wegen der ständig steigenden Lebenshaltungskosten schwelt aber schon lange. Die Demonstranten fordern insbesondere eine Renten- und Verfassungsreform sowie Verbesserungen im Gesundheits- und Bildungswesen.
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