Berlin (epd). Im Kampf gegen Kinderarbeit und Armutslöhne weltweit wollen Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in den kommenden Monaten Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz erarbeiten. Das kündigten sie am Mittwoch in Berlin an. Hintergrund sind erste Ergebnisse einer Befragung deutscher Unternehmen zur Einhaltung menschenrechtlicher Standards bei der Produktion im Ausland, die nach Worten von Müller eindeutig belegen: "Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel".
Nach Auskunft von Müller wurden 3.000 Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern gebeten, sich diesbezüglich selbst einzuschätzen. Lediglich 464 hätten die Fragebögen beantwortet und nur 20 Prozent erfüllten in der Selbsteinschätzung die Vorgaben. Heil sagte, dies sei "mehr als ernüchternd".
Die Minister wollen nun Verbände und Wirtschaft einladen, mit ihnen an einem Konzept für ein Lieferkettengesetz zu arbeiten. Gleichzeitig soll es noch eine weitere Befragung zur Selbsteinschätzung deutscher Unternehmen geben. Wenn diese bis Mai oder Juni kein deutlich besseres Ergebnis bringe, werde man in die Gesetzgebung gehen, kündigten Müller und Heil an. Sie wollen faire Lieferketten zudem bei der europäischen Ratspräsidentschaft Deutschlands 2020 zum Thema machen.
Heil beruft sicht auf das Grundgesetz
Heil betonte: "Es kann nicht sein, dass die Unternehmen, die sich um Menschenrechte kümmern, einen Wettbewerbsnachteil gegenüber denjenigen haben, die sich nicht kümmern." Er sagte, dass es sich bei dem Lieferkettengesetz nicht um ein "Herzensanliegen" handele, sondern um eine Verpflichtung, die sich aus dem Grundgesetz, Artikel 1 ergebe: Die Würde des Menschen ist unantastbar. "Da steht nicht: Die Würde des Deutschen ist unantastbar."
Müller und Heil hatten vor knapp zwei Wochen bei einer gemeinsamen Reise nach Äthiopien ein Positionspapier zu dem Thema erarbeitet. Deutsche Firmen sollen demnach gegebenenfalls haften müssen, wenn sie mit ausländischen Partner zusammenarbeiten, die weder auf Menschenrechte achten, noch auf ökologische Mindeststandards oder die sittenwidrige Löhne zahlen.
Grundlage für die Pläne der Minister ist der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte aus dem Jahr 2016, der Folgendes vorsieht: Wenn weniger als die Hälfte der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten bis 2020 der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen, wird "die Bundesregierung weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen prüfen", heißt es darin.
EKD unterstützt Vorhaben
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte, er unterstütze die Einführung verbindlicher Regeln durch ein Lieferkettengesetz. Freiwillig kämen zwar schon jetzt einige Unternehmen der Verantwortung für Menschenrechte und Umweltschutz nach - etwa über das neu eingeführte Nachhaltigkeits-Siegel "Grüner Knopf". "Die Erfahrungen zeigen aber, dass das bei weitem nicht ausreicht."
Der Obmann der Linksfraktion im Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, Michel Brandt, erklärte, dass eine "Verwässerung des Gesetzesprozesses durch Konzerninteressen" unbedingt vermieden werden müsse. Er forderte Klagerechte für Betroffene an deutschen Gerichten und harte Sanktionen gegen Verstöße.
Der Sprecher für Entwicklungspolitik der Grünen-Fraktion, Uwe Kekeritz, teilte mit, wer jetzt noch am Prinzip der Freiwilligkeit festhalten wolle, habe "entweder den Ernst der Lage nicht begriffen oder stellt Profite über den Schutz der Menschenrechte". Er verwies auf "Beharrungskräfte im Kabinett, besonders im Wirtschaftsministerium" und betonte: "Müller und Heil müssen also nun ihre Durchsetzungskraft beweisen."
Vor dem Auftritt der Minister vor Journalisten hatte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer die Pläne bereits als "großen Unfug" zurückgewiesen. "Mit so einem Gesetz für alle Unternehmen stehe ich ja schon mit beiden Beinen im Gefängnis", sagte er der "Rheinischen Post" (Mittwoch).
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