London (epd). Menschenrechtler werfen der Regierung von Kamerun vor, die von Terroristen tyrannisierten Menschen im Norden des Landes im Stich zu lassen. Zwischen Januar und November hätten Kämpfer der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram mindestens 275 Menschen getötet, darunter 225 Zivilisten, erklärte Amnesty International in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht.
Paul Biya: Boko Haram außer Landes gedrängt
Damit widerspricht die Organisation dem kamerunischen Präsidenten Paul Biya, der im Januar verkündet hatte, Boko Haram sei außer Landes gedrängt worden und stelle nur noch ein "Restproblem" dar. "Die Menschen, die wir im äußersten Norden getroffen haben, leben unter dem Terror", berichtete die Amnesty-Regionaldirektorin Samira Daoud. Die Einwohner fühlten sich von offiziellen Stellen völlig alleingelassen. Wenn nichts geschehe, würden sie weiter zum Ziel mörderischer Überfälle. Regierung und Sicherheitskräfte müssten dringend für ihren Schutz sorgen.
Amnesty dokumentierte die Entführung und Tötung von Dorfbewohnern, Plünderungen sowie das Abbrennen von Wohnhäusern, Kirchen und Gesundheitsstationen. Die Terroristen hätten sogar alte Männer und Kinder getötet. Im Kanton Tourou seien zwei Frauen aus christlichen Dörfern verschleppt worden. Mit Todesdrohungen hätten die Entführer sie gezwungen, zum Islam zu konvertieren, berichteten sie nach ihrer Flucht zwei Wochen später. Der Amnesty-Bericht stützt sich auf die Befragung von mehr als 30 Opfern und Zeugen.
Das zentralafrikanische Kamerun mit rund 25 Millionen Einwohnern hat eine lange Grenze mit Nigeria, wo die Terrormiliz Boko Haram entstanden ist, die sich auch in Kameruns Nachbarländer Niger und Tschad ausgebreitet hat. Kamerun war bis zum Ersten Weltkrieg deutsche Kolonie und wird seit 1982 von Präsident Biya (86) zunehmend autokratisch regiert. Im Westen herrschen wegen eines Autonomiekonflikts mit der englischsprachigen Minderheit bürgerkriegsähnliche Zustände.
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