Frankfurt a.M (epd). Die Seenotrettungsorganisation SOS Méditerranée dringt auf ein europäisches Programm zur Rettung von Bootsflüchtlingen. "Es darf kein Mensch im Mittelmeer ertrinken", sagte Geschäftsführer David Starke dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Und das Gute ist, es ist technisch möglich." Das habe die Operation der italienischen Marine und Küstenwache "Mare Nostrum" gezeigt, die 2013 und 2014 etwa 150.000 Flüchtlinge im Mittelmeer gerettet habe.
Appell an EU-Mitglieder
"Die EU-Mitgliedsstaaten müssen Verantwortung übernehmen und Schiffe hinschicken", forderte Starke. Die derzeitige Situation sei nicht haltbar. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in diesem Jahr bereits mehr als 1.000 Menschen im Mittelmeer ertrunken.
Es sei nachvollziehbar, dass Italien und Malta zur Solidarität anderer europäischer Länder aufriefen. "Das Geringe und Geschacher um die Geretteten ist aber nicht zu verstehen", kritisierte Starke. Im September habe die neue italienische Regierung auf einmal mehrere Schiffe innerhalb von 24 Stunden in einen Hafen gelassen. "Die Hoffnung war groß, dass sich das fortsetzt, aber wir sind sehr schnell wieder auf den Boden der Tatsachen angekommen."
Das Rettungsschiff "Ocean Viking", das SOS Méditerranée zusammen mit "Ärzte ohne Grenzen" betreibt, musste zuletzt elf Tag mit 104 Geretteten im Mittelmeer ausharren, ehe es am Dienstag die Erlaubnis erhielt, in den sizilianischen Hafen von Pozzallo einzulaufen.
Auch die Zusammenarbeit mit der libyschen Rettungsstelle, die von der EU finanziert wird, funktioniert laut Starke nicht gut. So sei die Abstimmung während der Rettungsaktionen schwierig, weil manchmal niemand ans Telefon gehe, oder niemand Englisch spreche, Mails würden sehr spät oder gar nicht beantwortet.
Auch von der EU-Mission "Sophia" und der europäischen Küstenwache Frontex können die privaten Seenotretter laut Starke keine Hilfe erhoffen: "Wir haben keinen Zugriff auf die Überwachungsdaten der Drohnen von Frontex oder der EU." Das Mittelmeer sei einer der bestbewachten Räume weltweit, aber es sei nicht klar, was mit diesen Informationen geschehe. "Die Annahme, die im Raum steht, ist, dass wenn diese Luftaufklärung Informationen über Schiffsbrüchige hat, dass die an die libysche Küstenwache weitergeleitet werden, die dann aktiv werden kann."
Angst vor Gefängnissen in Libyen
Die bringe die Menschen jedoch wieder nach Libyen in die dortigen Gefängnisse und Lager zurück. "Doch die Geretteten, mit denen wir sprechen, sagen uns, die Situation in Libyen ist so schrecklich, dass ertrinken auf einmal eine Option wird." Junge Eltern mit ihren kleinen Kindern oder schwangere Frauen gingen lieber sehenden Auges in den Tod, als länger in Libyen auszuhalten. Der Weg über das zentrale Mittelmeer gilt als gefährlichste Fluchtroute der Welt. SOS Méditerranée ist in vier europäischen Ländern vertreten und hat nach eigenen Angaben seit 2016 mehr als 30.000 Menschen gerettet.
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