UN: 176.000 Menschen auf der Flucht in Nordost-Syrien

Geschosse treffen Gesundheitseinrichtungen, die Wasser- und die Stromversorgung. Die türkische Invasion im Nordosten Syriens verschlimmert die humanitäre Lage der Menschen dramatisch.

Genf/Frankfurt a.M. (epd). Die türkische Militäroffensive gegen kurdische Milizen in Nordost-Syrien hat laut den Vereinten Nationen verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Mehr als 176.000 Menschen seien vor der Gewalt geflohen, darunter fast 80.000 Kinder, teilte das UN-Büro zur Koordinierung humanitärer Hilfe in Damaskus am Dienstag mit. Die meisten Menschen seien innerhalb Syriens auf der Flucht.

Laut dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR flüchten Menschen aber auch in den Irak. Bei den Kämpfen seien Gesundheitseinrichtungen getroffen worden, die Stromversorgung und ein Wasserwerk seien beschädigt worden, erklärte das UN-Büro. Im Nordosten Syriens leben den Angaben nach drei Millionen Menschen. Schon vor Beginn der türkischen Invasion vor knapp zwei Wochen seien 1,8 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen gewesen.

"Keine Ärzte oder Chirurgen mehr vor Ort"

Besonders prekär ist nach Angaben des "Kurdischen Roten Halbmonds" die Situation im Flüchtlingslager Al-Hol. In dem Lager mit etwa 65.000 Menschen, darunter Anhänger der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), drohe der Zusammenbruch der Gesundheitsdienste, sagte die Nordsyrien-Projektleiterin der Hilfsorganisation, Fee Baumann, in Erbil (Nordirak) dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wir haben keine Ärzte oder Chirurgen mehr vor Ort, sondern nur noch Pflegepersonal und können keine Notoperationen mehr durchführen."

Baumann hat Syrien am 14. Oktober verlassen. Sie erhob schwere Vorwürfe gegen die Türkei. Zumindest in der Grenzstadt Ras al-Rain hätten die türkische Armee und mit ihr verbündete Milizen die am Donnerstag vereinbarte Waffenruhe zunächst nicht eingehalten. "Da gingen die Attacken mit Luftangriffen weiter und auch Scharfschützen waren unterwegs, die auf alles geschossen haben, was sich auf die Straße bewegt hat", sagte Baumann. Seit drei Tagen sei es ruhig.

Der "Kurdische Rote Halbmond" wird von der Frankfurter Hilfsorganisation medico international unterstützt. Er gehört nicht zur Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften.

Türkischer Einmarsch

Der türkische Einmarsch hatte am 9. Oktober begonnen, nachdem die USA den Abzug ihrer Truppen aus der Region angekündigt hatten. Die US-Streitkräfte und kurdische Einheiten waren gemeinsam gegen die Terrormiliz IS vorgegangen. Die Türkei betrachtet die kurdischen Kräfte im Nordosten Syriens als Terroristen, die bekämpft werden müssen.

Im Zuge des Syrien-Konflikts hatten kurdische Milizen die Kontrolle über das Gebiet gewonnen. Der Konflikt hatte 2011 mit Protesten gegen Syriens Machthaber Baschar al-Assad begonnen. Hunderttausende Menschen wurden bislang getötet, Millionen Menschen sind innerhalb des Landes oder im Ausland auf der Flucht.

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