Strafanzeige gegen TÜV Süd nach Dammbruch in Brasilien

epd-bild/Alberto Veiga
Rio de Janeiro: Demonstranten erinnern im Februar 2018 an die Opfer der Schlammlawinen-Katastrophe im brasilianischen Brumadinho. (Archivbild)
Proteste vor TÜV-Süd-Zentrale in München
TÜV Süd attestierte die Stabilität eines Damms, der kurz darauf brach und etwa 270 Menschen unter sich begrub. Angehörige wollen ein Verfahren gegen den Konzern bewirken.

Berlin, São Paulo (epd). Rund neun Monate nach dem verheerenden Dammbruch in einer Eisenerzmine in Brasilien haben fünf Angehörige von Todesopfern Anzeige gegen TÜV Süd gestellt. Sie werfen dem deutschen Zertifizierungsunternehmen fahrlässige Tötung, Privatbestechung, fahrlässiges Herbeiführen einer Überschwemmung sowie Verletzung der Aufsichtspflichten vor, wie die Menschenrechtsorganisation ECCHR (Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte) und das katholische Hilfswerk Misereor am Donnerstag in Berlin mitteilten.

Bei dem Bruch eines Rückhaltebeckens in der Ortschaft Brumadinho im südöstlichen Bundesstaat Minas Gerais starben am 25. Januar mindestens 249 Menschen. 21 Menschen gelten noch als vermisst. TÜV Süd hatte noch im September 2018 in einem Gutachten die Stabilität des Damms attestiert.

Spontanes Treffen mit Angehörigen der Opfer

TÜV Süd versicherte sein "großes Interesse an der Aufklärung der Unglücksursache". Ein Vertreter des Konzerns habe sich am Donnerstag spontan mit Angehörigen der Opfer getroffen, sagte Uta Apel von der Kommunikationsagentur Brunswick im Auftrag von TÜV Süd dem Evangelischen Pressedienst (epd). Weitere Auskünfte sowie einen Kommentar zur Strafanzeige wollte das Unternehmen wegen des laufenden Verfahrens aber nicht gegeben.

Vor dem Firmensitz von TÜV Süd in München protestierten derweil schlammverschmierte Aktivistinnen und Aktivisten. "Der Fall ist schockierend - und er reiht sich ein in eine traurige Liste", erklärte Johannes Heeg von der "Initiative Lieferkettengesetz", die von der Bundesregierung einen gesetzlichen Rahmen fordert, um deutsche Unternehmen künftig zur Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards auch im Ausland zu verpflichten. "Immer wieder tragen deutsche Firmen weltweit zu Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung bei. Das muss aufhören", forderte Heeg. Die schlammbeschmierten Menschen mit der Aufschrift "TÜV-Süd-zertifiziert" symbolisierten die Opfer des Dammbruchs. Der Initiative gehören 74 zivilgesellschaftliche Organisationen an, darunter auch Misereor und BUND.

"Der Dammbruch war kein Unfall"

Im Juli hatte ein Gericht den Konzern Vale, der die Mine betreibt, verurteilt, für alle Schäden der Katastrophe aufzukommen. Die Konten von Vale in Höhe von mehr als 2,5 Milliarden Euro sind wegen etwaiger Schadensersatzzahlungen blockiert. Nach einer Übereinkunft mit der Staatsanwaltschaft muss Vale neben Entschädigungen auch Pensionen für Angehörige bis zum 75. Lebensjahr zahlen. Außerdem wurde der Konzern zur Zahlung einer "kollektiven Wiedergutmachung" von etwa 90 Millionen Euro verpflichtet. Das Geld soll für die Beseitigung der Umweltschäden und zum Wiederaufbau verwendet werden.

"Der Dammbruch war kein Unfall - er war ein Verbrechen", erklärte Marcela Nayara Rodrigues, deren Vater bei dem Dammbruch umkam und die die Anzeige mit vier weiteren Angehörigen erstattete. "TÜV Süd wusste, dass der Damm ein Sicherheitsrisiko barg, trotzdem wurde die Stabilitätserklärung ausgestellt." Das Verfahren in Deutschland solle Vale nicht aus der Verantwortung entlassen, erklärte Claudia Müller-Hoff vom ECCHR. "Der Fall zeigt: Das System der Zertifizierungen sorgt nicht für Sicherheit, sondern vor allem für eine Verschleierung von Verantwortlichkeiten."

TÜV Süd hatte ein Gutachten ausgestellt, das Grundlage für den Weiterbetrieb der Mine war, obwohl deren Ingenieure zuvor auf die mangelnde Stabilität des 85 Meter hohen Damms hingewiesen hatten. Demnach gab es Probleme mit dem Drainagesystem. Die Ingenieure hatten darauf hingewiesen, dass zu viel Wasser im Damm und deshalb die Stabilität gefährdet gewesen sei, wie brasilianische Medien unter Berufung auf polizeiliche Vernehmungsprotokolle berichteten.

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