Todesurteil Wahlteilnahme

epd-bild/Ralf Maro
Die Gewalt in Afghanistan hält an - Proteste gegen Abschiebungen (Archivbild)
Für die Afghanen gibt es nur wenig Grund zu Optimismus. Auch die Präsidentschaftswahl am Samstag verspricht kein Ende des andauernden Konfliktes zu bringen.

Dubai, Kabul (epd). Wenig ist normal in diesen Tagen in Afghanistan. Die für Samstag geplante Wahl eines neuen Präsidenten wird von täglichen Anschlägen, Gewalt und Misstrauen überschattet. Die Situation ist so prekär, dass eine Gruppe von Politikern bereits gefordert hat, die Abstimmung ganz abzusagen. "Die Leute sind sehr besorgt wegen der anstehenden Wahl, und wir sind es ebenfalls", hieß es in einer Erklärung der Gruppe, zu der auch der ehemalige Präsident Hamid Karsai zählt. Mehr als 9,6 Millionen Afghanen sind wahlberechtigt. Die Wahlbeteiligung bei der Präsidentschaftswahl 2014 lag bei 58 Prozent, doch bei der um drei Jahre verspäteten Parlamentswahl 2018 machten nur noch 39 Prozent der registrierten Wähler von ihrem Stimmrecht Gebrauch.

Tausende Wahllokale aus Sicherheitsgründen zu

Diesmal könnte die Bilanz noch schlechter ausfallen. In vielen Gebieten ist es schlicht lebensgefährlich, an der Abstimmung teilzunehmen. Etwa die Hälfte des Landes wird von den Taliban kontrolliert, die gedroht haben, jeden, der wählen geht, umzubringen. In der vergangenen Woche töteten die Aufständischen bei einem Attentat auf eine Wahlkampfveranstaltung von Präsident Aschraf Ghani mindestens 26 Menschen, Ghani blieb unverletzt. Es war eine der wenigen Kundgebungen, die Ghani persönlich bestritt. Wegen der Gefahr sprach der 70-Jährige zumeist über Skype oder Telefon zu einer kleinen Menge.

Fast 2.000 Wahllokale werden diesmal aus Sicherheitsgründen geschlossen bleiben. Die verbleibenden 4.942 sollen von etwa 72.000 Sicherheitskräften bewacht werden. Armee und Polizei haben zugesichert, alles zu tun, um die Wähler zu schützen. Doch im Land herrscht Krieg. Selbst einige Tage vor der Wahl war unklar, inwieweit alle Provinzen mit Stimmzetteln beliefert wurden. Als die Taliban Ende August die nördliche Stadt Kundus stürmten, blieb die einzige Verbindungsstraße in den Norden fast zwei Wochen gesperrt. Stimmzettel und Wahlunterlagen konnten so erst mit Verspätung auf den Weg in die Provinzen im Norden und Nordosten gebracht werden. Dennoch ist man in Kabul optimistisch: "Alle Wahlunterlagen werden in den kommenden Tagen in die Provinzen geschickt werden", versprach der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Fawad Aman.

Ghani als Favorit

Weniger optimistisch sind hingegen die Wähler. Habib Khan Totakhil will diesmal nicht wählen gehen. Die Abstimmung führe vermutlich nur zu einer weiteren Krise, schrieb der Kabuler Journalist und Restaurantbesitzer auf Twitter. Die Präsidentschaftswahlen 2014 stürzten das Land ins Chaos. Bis zum Schluss blieb unklar, wer von den beiden Kontrahenten die meisten Stimmen erhalten hatte. Wochenlang wurde über die Richtigkeit der Resultate gestritten, Stimmen wurden annulliert und neu ausgezählt. Der Streit fand erst ein Ende, als die USA intervenierten und nach langen Verhandlungen eine Einheits-Regierung beriefen: Ghani wurde Präsident, sein Rivale Abdullah Abdullah bekam den neu geschaffenen Posten des Regierungschefs.

Diesmal gilt Ghani als klarer Favorit. Der Präsident hat mit dem Scheitern der Friedensverhandlungen zwischen den USA und den Taliban eine neue politische Chance erhalten. Vor gut drei Wochen hatte US-Präsident Donald Trump die Gespräche abgebrochen. Damit ist kein Ende des fast 18 Jahre dauernden Konflikts abzusehen. Stattdessen dreht sich die Spirale der Gewalt immer schneller.

Tausende Tote

In den vergangenen zwölf Monaten wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums 3.300 Zivilisten getötet. Eine Aufstellung des britischen Senders BBC zeichnet allein für den vergangenen Monat ein verheerendes Bild: Demnach sind im August 473 Zivilisten getötet worden. Insgesamt 611 Vorfälle kosteten 2.307 Menschen das Leben - die Mehrzahl davon waren Taliban oder Sicherheitspersonal, doch Zivilpersonen machten ein Fünftel der Getöteten aus.

Dabei sind es nicht alleine die Taliban, die für das Blutvergießen verantwortlich sind. Auch das afghanische Militär hat seine Offensive verstärkt - zulasten von Zivilisten. Bei einem Angriff auf ein Taliban-Versteck in der südlichen Provinz Helmand wurden am Sonntag 40 Gäste einer Hochzeitsgesellschaft getötet. In der vergangenen Woche starben bei einem US-Drohnenschlag in Nangarhar mindestens 16 Feldarbeiter. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erklärte, Zivilisten seien die Hauptleidtragenden in dem Konflikt. Die Wahl am Samstag wird daran nichts ändern.

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