Valletta/Berlin (epd). Das deutsche Rettungsschiff "Eleonore" vor Malta im Mittelmeer sucht dringend einen Hafen für die 101 geretteten Flüchtlinge an Bord. Die hygienischen Verhältnisse seien schwierig, es gebe nur zwei Toiletten, und die Enge auf dem Schiff mache den Flüchtlingen zu schaffen, teilte die Dresdner Hilfsorganisation Mission Lifeline am Mittwoch mit. Ein langes Ausharren auf See sei nicht möglich. Malta und Italien haben dem Schiff die Einfahrt in ihre Hoheitsgewässer und Häfen verwehrt. Die Bundesregierung will sich um eine europäische Lösung bemühen.
Da das Schiff unter deutscher Flagge fahre, habe man die EU-Kommission kontaktiert und gebeten, zu einer solidarischen Verteilung der Menschen zu kommen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Berlin, Deutschland werde sich wieder in beachtlicher Höhe an der Aufnahme der Menschen an Bord beteiligen. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes fügte hinzu, der aktuelle Fall zeige, wie dringend es sei, zu einer europäischen Lösung zu kommen.
Gefahr, "dass die Leute austicken"
Die "Eleonore" unter ihrem Kapitän Claus-Peter Reisch hatte die Flüchtlinge am Montag vor der libyschen Küste bei einem Schiffbruch gerettet. Am Mittwoch lag sie an der 12-Meilen-Zone vor Malta. Die meisten Geretteten kommen laut Lifeline aus dem Sudan. Unter ihnen sind 30 Minderjährige, vier davon unter zehn Jahren.
Lifeline-Sprecher Axel Steier beklagte, die psychische Belastung nehme zu. Es bestehe die Gefahr, "dass die Leute austicken". Die Crew befürchte auch, dass sich Krankheiten ausbreiten. Nach anfänglicher Weigerung ließ Malta am Mittwoch zu, dass ein Versorgungsschiff Trinkwasser, Nahrung und Desinfektionsmittel zur "Eleonore" brachte.
Unterdessen hat die "Mare Jonio" der italienischen Hilfsorganisation Mediterranea Saving Humans vor der libyschen Küste knapp hundert weitere Bootsflüchtlinge gerettet. Unter den Migranten seien 26 Frauen, darunter acht Schwangere, und 22 Kinder unter zehn Jahren, teilte die Organisation am Mittwoch auf Twitter mit.
Spuren von Folter und Verbrennungen
Die italienische Leitstelle für Seenotrettung hat das unter italienischer Flagge fahrende Schiff an die libysche Küstenwache verwiesen. Die Crew weigert sich jedoch, mit Libyen zusammenzuarbeiten, da die Geretteten dort täglich Folter ausgesetzt seien. Die Menschen stammen den Angaben zufolge mehrheitlich aus der Elfenbeinküste, aus Kamerun, Gambia und Nigeria. Einige haben Spuren von Folter und Verbrennungen.
Malta sieht sich nach einem Medienbericht außerstande, weitere Bootsflüchtlinge in Empfang zu nehmen. Die Aufnahmezentren seien dazu nicht in der Lage, nachdem mehr als 500 Menschen seit Freitag angekommen seien, berichtete die Tageszeitung "Malta Today" (Mittwoch) unter Berufung auf offizielle Kreise. Darunter seien die 356 Geretteten vom Rettungsschiff "Ocean Viking", die auf europäische Länder verteilt werden sollen.
Tagelange Irrfahrt
Die Sprecherin des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) für Südeuropa, Carlotta Sami, erinnerte daran, dass seit Jahresbeginn mindestens 900 Flüchtlinge im Mittelmeer ums Leben kamen. "Tragödien, die verhindert werden könnten, wenn humanitäre Einsätze nicht mehr für politische Zwecke instrumentalisiert würden", betonte sie auf Twitter.
Die zehnköpfige Crew des deutschen Schiffs "Eleonore" war erst am Freitag zu ihrem ersten Rettungseinsatz vor Libyen aufgebrochen. Das erste Schiff der Organisation, die "Lifeline", war im vergangenen Sommer in Malta beschlagnahmt worden. Mit 234 geretteten Flüchtlingen an Bord hatte es dort erst nach tagelanger Irrfahrt anlegen dürfen.
Kapitän Reisch wurde mit der Begründung angeklagt, das Schiff falsch registriert zu haben. Ein Gericht in der maltesischen Hauptstadt Valletta verurteilte den 58 Jahre alten Kapitän Mitte Mai zu 10.000 Euro Geldstrafe. Gegen das Urteil hat Reisch Revision eingelegt.
Neuen Kommentar hinzufügen