Dubai, Kabul (epd). Die Gespräche mit den Taliban machten "sehr guten Fortschritte", freut sich der US-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Zalmay Khalilzad. Im Wüstenemirat Katar läuft die inzwischen achte Verhandlungsrunde. Der Deal zwischen den USA und den islamischen Aufständischen soll bald unter Dach und Fach sein. Die Amerikaner hoffen, dass eine Vereinbarung noch vor der afghanischen Präsidentenwahl am 28. September steht.
Ein Grund für die Eile ist, dass wieder Gewalt, Terroranschläge und erbitterter Streit um das Wahlergebnis befürchtet werden, wie es bislang bei jeder Abstimmung in Afghanistan seit 2002 der Fall war. Ein anderer Grund ist der US-Wahlkampf 2020, in dem sich Präsident Donald Trump offenbar damit brüsten will, den Afghanistan-Krieg beendet zu haben. Angesichts des engen Zeitfensters wächst die Angst vor einem überstürzten US-Truppenabzug.
USA wollen Truppen rasch abziehen
"Die USA rennen zum Frieden", sagt Daud Nadschi, ein politischer Aktivist in Kabul. Er nennt es alarmierend, dass ein Waffenstillstand offenbar keine Voraussetzung für eine Vereinbarung sei. Es ist kein Wunder, dass die USA ihre Militär-Präsenz in Afghanistan so rasch wie möglich aufgeben wollen. Der seit 18 Jahren dauernde Konflikt nimmt kein Ende, und trotz hoher Militärausgaben sind die Taliban alles andere als besiegt: Die Islamisten kontrollieren inzwischen fast die Hälfte des Landes.
Eine andere deprimierende Zahl sind die zivilen Opfer: In der ersten Hälfte des Jahres starben mehr Zivilisten durch die Hand von afghanischen Regierungstruppen und Verbündeten wie den USA als durch die Taliban und andere Aufständische, etwa die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS).
Weil beide Seiten versuchen, ihre militärische Stärke zu zeigen und so Druck auf die Verhandlungen in Doha auszuüben, haben die Kämpfe am Hindukusch an Intensität zugenommen. Im Vorjahr gab es 3.812 zivile Todesopfer - mehr als ein Drittel von ihnen Kinder. Obwohl die offizielle Nato-Kampfmission schon im Dezember 2014 endete, sind immer noch rund 17.000 Nato-Soldaten am Hindukusch stationiert, um die afghanische Armee zu trainieren und zu unterstützen. Auch die Bundeswehr ist mit bis zu 1.300 Soldaten und Soldatinnen beteiligt. Zudem sind weitere US-Truppen im Land, die auch Anti-Terror-Operationen ausführen.
Zugeständnisse an die Taliban
Die Vereinbarung der USA mit den Taliban dürfte einen Zeitplan für den Abzug aller insgesamt 14.000 amerikanischen Militärs enthalten, ebenso wie die Zusicherung der Islamisten, keine ausländischen Terroristen in Afghanistan zu beherbergen. Der 2010 getötete Al-Kaida-Führer Osama bin Laden hatte sich auf Einladung der Taliban zwischen 1996 und 2002 im afghanischen Kandahar aufgehalten.
Amerika scheint unter dieser Bedingung bereit zu sein, eine Beteiligung der Taliban an der Regierung in Kabul zu akzeptieren. Doch wie und ob die Taliban und die afghanische Regierung künftig koexistieren werden und ob beide die Waffen ruhen lassen, ist unklar. Die Taliban weigern sich, offiziell mit der Regierung von Präsident Aschraf Ghani in Kabul zu verhandeln, solange die Amerikaner auf afghanischen Boden sind.
Diese Haltung löst bei vielen Menschen in Afghanistan Besorgnis aus, weil sie befürchten, dass hart erkämpfte Errungenschaften wie Menschenrechte, besonders Frauenrechte, einfach geopfert werden. Die Taliban hatten sich vor einigen Wochen immerhin verpflichtet, die Rechte von Frauen in Afghanistan zu respektieren, doch nur im "Einklang mit islamischen Werten".
Pakistan spielt eine Schlüsselrolle
Aber selbst diese Zusage könnte ein leeres Versprechen bleiben, sofern sie nicht rechtlich abgesichert und durchgesetzt werden kann, wenn die amerikanischen Soldaten einmal abgezogen sind. Die Menschen sehen, wie die Aufständischen Frauen in den von ihnen kontrollieren Gebieten behandeln - und das Bild ist erschreckt sie.
Die USA setzen auch auf das Nachbarland Pakistan, das im Hintergrund eine Schlüsselrolle spielt und die Taliban überhaupt erst an den Verhandlungstisch brachte. Der Verhandlungsführer der Taliban, Mullah Baradar, war zehn Jahre lang in Pakistan inhaftiert und wurde extra für die Gespräche auf freien Fuß gesetzt. Pakistans Rolle ist umstritten, hatte das islamische Land doch das brutale Taliban-Regime zwischen 1996 und 2001 in Afghanistan unterstützt.
Einige Afghanen fürchten, dass die afghanische Armee ohne ausländisches Militär und Geld keine Chance gegen die Aufständischen haben wird. Die Taliban könnten wieder Kurs auf die Macht nehmen - nach 18 Jahren Krieg, der doch gerade zum Ziel hatte, die Schreckensherrschaft der Taliban zu beenden.
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