Ciudad Juárez, Tapachula (epd). Soll er nach Honduras zurückkehren? Oder doch auf einen Termin bei der US-Migrationsbehörde warten? Aber das wird lange dauern, und die letzten Wochen in der mexikanischen Grenzstadt Ciudad Juárez waren schon eine Qual. Nur selten hatte Alejandro, der seinen Familiennamen nicht genannt haben möchte, genug zu essen. Die Nächte verbrachte der 20-Jährige auf dem Vorplatz einer Kirche - mitten im gefährlichen Stadtzentrum. "Ich suche Arbeit in einem Restaurant, aber bisher habe ich nichts gefunden", sagt er.
Unzählige Migranten, die sich aus Mittelamerika sowie aus karibischen und afrikanischen Staaten auf den Weg in die USA gemacht haben, hängen wie Alejandro derzeit im Norden Mexikos fest. Nach Angaben der mexikanischen Migrationsbehörde (INM) warten allein in Ciudad Juárez 5.500 Menschen darauf, dass die US-Behörden über ihren Asylantrag entscheiden. An der gesamten Grenze sind es mindestens 17.000. "Manche haben erst im Juli, August, September nächsten Jahres ihre Anhörung", erklärt Pfarrer Javier Calvillo, der in der Stadt eine Unterkunft für Migranten betreibt.
Viele Migranten sind eingeschüchtert
Seitdem sich der mexikanische Staatschef Andrés Manuel López Obrador auf Druck von US-Präsident Donald Trump Anfang Juni bereiterklärt hat, "beispiellose Maßnahmen" gegen Migranten umzusetzen, wird deren Aufenthalt immer schwieriger. Die US-Behörden können alle Antragsteller nach Mexiko zurückschicken, bis über ihren Fall entschieden wurde. Derzeit sind das jeden Tag 300 Menschen, sagt Padre Calvillo.
Viele seien eingeschüchtert und dächten über eine Rückkehr in ihre Heimat nach. "Wer weiß, ob uns Trump letztlich einreisen lässt", überlegt auch Alejandro. "Wahrscheinlich nicht." Der Honduraner steht unter Druck. Zu Hause warten seine Frau und seine Tochter darauf, dass er Geld überweist.
Trump drohte Mexiko mit Strafzöllen
Die Vereinbarung zwischen den beiden Regierungen kam zustande, nachdem Trump Mexiko mit Strafzöllen gedroht hatte, sollte es die Migration nicht stoppen. Allein an den Grenzfluss Rio Bravo, der in den USA Rio Grande heißt, wurden seither 15.000 mexikanische Soldaten und Nationalgardisten geschickt, um Migranten an der illegalen Einreise zu hindern. Sie sollten die Menschen nicht festnehmen, sondern "retten", erklärt ein Nationalgardist dem Evangelischen Pressedienst (epd).
De facto zwingt die Präsenz der bewaffneten Truppe die Zuwanderer jedoch, immer gefährlichere Wege zu suchen, um in die USA zu gelangen. Die Konsequenzen zeigte jüngst ein Foto, das um die Welt ging: das Bild eines salvadorianischen Vaters und dessen 23 Monate alter Tochter, die im Rio Grande ertranken.
Der Plan der US-Regierung geht auf
Für die US-Regierung geht der Plan auf: Die Zahl jener, die in die USA kamen und sich bei den Behörden meldeten, sank seit Beginn des Paktes Anfang Juni um 25 Prozent. Nach Angaben der mexikanischen Behörden wurden im gleichen Zeitraum 33 Prozent mehr Personen aus Mexiko in ihre Heimatländer abgeschoben als im Vormonat. Das liegt auch daran, dass die Nationalgarde entlang der Migrationsrouten die Menschen in Pensionen und Busbahnhöfen kontrolliert.
Zunehmend nutzen Migranten deshalb wieder "die Bestie". So wird die lebensgefährliche Fahrt auf den Dächern von Güterzügen genannt. Auch Alejandro kam so. "Für einen Schlepper hatte ich kein Geld", erklärt er.
"Ohne Papiere kommst du nicht mehr durch"
Rund 3.000 Kilometer weiter südlich: Auch Carlos Alfredo will in die USA. Doch im Moment hängt der Mann aus El Salvador, der ebenfalls seinen Nachnamen nicht nennen will, an der mexikanischen Südgrenze fest. Er war mit einer "Karawane" aus Guatemala ins Land gekommen, doch Polizisten lösten den Treck auf. Viele Migranten wurden abgeschoben, Carlos Alfredo konnte flüchten. "Ohne Papiere kommst du nicht mehr durch", sagt er. Nicht weit entfernt ist der nächste Kontrollpunkt. 6.000 mexikanische Nationalgardisten sind in der Region.
Enrique Vidal, der sich in der grenznahen mexikanischen Stadt Tapachula um gestrandete Migranten kümmert, spricht von einem Kollaps des mexikanischen Migrationssystems. Er kritisiert eine Militarisierung im Interesse Trumps: "Mexikos Südgrenze ist die erste Mauer der USA."
Hunderttausende Migranten sind wie Carlos Alfredo in den vergangenen Monaten über den Grenzfluss Rio Suchiate von Guatemala nach Mexiko eingereist. Wer weiter will, muss die Kontrollen mit Schleppern umgehen oder sich ein humanitäres Visum besorgen. Viele Menschen warten deshalb in Tapachula darauf, dass ihnen die Behörden das Dokument ausstellen. Manche fristen ihr Dasein auf der Straße, andere leben in Billighotels oder überfüllten Herbergen.
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