Genf, Khartum (epd). Im Sudan eskaliert die Auseinandersetzung zwischen der seit knapp zwei Monaten regierenden Militärjunta und der Opposition. Laut Opposition stürmten Soldaten und Polizei am frühen Montagmorgen das Protestcamp vor dem Armeehauptquartier in der Hauptstadt Khartum und schossen mit scharfer Munition in die Menge, wie die Zeitung "Sudan Tribune" berichtete. Es sei ein blutiges Massaker gewesen. Ein Mitarbeiter eines Krankenhauses sagte dem britischen Sender BBC, mindestens acht Demonstranten seien getötet und zahlreiche weitere verletzt worden.
"Mörderischer Militärrat"
Der Sprecher der Junta, Shamseddine Kabbashi, wies im Sender Sky News Arabia dagegen zurück, dass die Armee das von ihr zuletzt scharf kritisierte Protestcamp geräumt habe. Der Einsatz habe sich nicht gegen die Demonstranten, sondern gegen Kriminelle in einem nahegelegenen Viertel gerichtet. Viele Demonstranten hätten sich daraufhin freiwillig entschlossen, das Protestcamp zu verlassen.
Die Organisatoren der Proteste, die Sudanese Professionals Association, riefen die Bevölkerung am Montag zum Widerstand durch zivilen Ungehorsam auf. "Der verlogene und mörderische Militärrat muss gestürzt werden, um unsere Revolution zu vollenden", hieß es in einem Aufruf auf der Facebook-Seite der Gruppe.
Chaotische Zustände
Augenzeugen berichteten von chaotischen Zuständen in der Khartum. Auf Fotos waren Demonstranten zu sehen, die Autoreifen in Brand steckten und Barrikaden errichteten. Der britische Botschafter bestätigte über den Kurznachrichtendienst Twitter, es seien zahlreiche Schüsse zu hören. Der Flughafen von Khartum wurde offenbar geschlossen. Armee und Polizei errichteten Straßensperren.
Die Bundesregierung kritisierte die gewaltsame Auflösung der Massenproteste. Diese Gewalt sei nicht zu rechtfertigen und müsse sofort aufhören, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag in Berlin. Deutschland rufe die Akteure auf, eine Eskalation zu vermeiden und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
200 Deutsche im Sudan
Nach Informationen des Auswärtigen Amtes befinden sich derzeit rund 200 deutsche Staatsbürger im Sudan. Mit ihnen stehe die Botschaft in Khartum in Kontakt. Es gebe keine Hinweise darauf, dass aktuell jemand zu Schaden gekommen sei.
Die Verhandlungen zwischen Opposition und Militärjunta sind bislang erfolglos verlaufen. Die Opposition hatte für diesem Montag erneut zu einem Generalstreik aufgerufen. Die Militärjunta hatte ihrerseits davor gewarnt, die Proteste fortzusetzen. Zugleich entzog die Junta dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira die Sendelizenz, der täglich live von den Protesten berichtet hatte. Das Militär wird auch für mehrere Angriffe in der vergangenen Woche verantwortlich gemacht, bei denen mehrere Demonstranten getötet worden waren.
Protest gegen steigende Brot- und Spritpreise
Mitte Dezember hatte die sudanesische Zivilgesellschaft, insbesondere die Mittelschicht, zunächst gegen steigende Brot- und Spritpreise protestiert. Die Demonstranten forderten jedoch bald den Rücktritt des seit fast 30 Jahren regierenden Präsidenten Omar al-Baschir. Am 11. April stürzte die Armee Al-Baschir und setzte einen Militärrat ein. Seither haben sich Militärführung und Opposition nicht auf die Bildung einer Übergangsregierung einigen können. Während die Junta die letzte Entscheidungsgewalt behalten will, fordert die Opposition eine mehrheitlich zivile Regierung.
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