Frankfurt a.M., New York (epd). Wegen der heftigen Kämpfe um die libysche Hauptstadt Tripolis fordern Hilfswerke die Evakuierung von Flüchtlingen und Migranten aus dem Land. Besonders gefährdet seien 3.000 Migranten, die willkürlich in Lagern nahe der Kampfzone festgehalten würden, warnte "Ärzte ohne Grenzen" am Donnerstag in Berlin. Das UN-Flüchtlingshilfswerk brachte 179 Flüchtlinge aus einem Lager im Gefechtsgebiet ins Zentrum von Tripolis. Die Bundesregierung hat in New York für den Nachmittag (Ortszeit) unter deutschem Vorsitz eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats zu Libyen einberufen.
Der Sicherheitsrat werde in nichtöffentlicher Sitzung über die Krise beraten, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Der UN-Sondergesandte zu Libyen, Ghassan Salamé, werde die Mitglieder unterrichten. Deutschland hat im April den Vorsitz im Sicherheitsrat. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden mehr als 200 Menschen bei den Gefechten in Libyen getötet und mehr als 900 verletzt. Tausende Menschen sind auf der Flucht oder von Kämpfen eingeschlossen.
Sorge wächst
Milizen des abtrünnigen Generals Chalifa Haftar, der Gebiete im Osten Libyens kontrolliert, sind auf die Hauptstadt vorgerückt, wo die international anerkannte Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch ihren Sitz hat. Der UN-Sondergesandte Salamé hat den Beschuss von Wohngebieten als Kriegsverbrechen scharf verurteilt. Internationale Appelle, die Angriffe sofort einzustellen, verhallten bisher wirkungslos.
Die Sorge wächst, dass die Kämpfe in Libyen eskalieren könnten. "Das ist jetzt schon der Bürgerkrieg", sagte der Libyen-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Wolfram Lacher, der "Süddeutschen Zeitung" (Online). International gebe es leider viel Uneinigkeit. "Im Prinzip müssten alle westlichen Regierungen ein Interesse haben, diesen Konflikt schnell beizulegen", betonte er.
Im Chaos versunken
Nach UN-Angaben sind vor den Kämpfen 25.000 Menschen auf der Flucht. Viele sitzen in der Gefechtszone fest. Mindestens 820.000 Menschen sind dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. Dabei fehlen laut UN 190 Millionen US-Dollar (169 Millionen Euro) für die Libyen-Hilfe.
Unterdessen werden Befürchtungen laut, dass wegen der Kämpfe die Zahl der Bootsflüchtlinge Richtung Europa wieder zunehmen könnte. In dem arabischen Land mit rund sechs Millionen Einwohnern leben Schätzungen zufolge 700.000 bis 800.000 afrikanische Migranten und Flüchtlinge.
Libyen war nach dem Sturz des früheren Diktators Muammar al-Gaddafi 2011 im Chaos versunken. Dutzende Milizen und bewaffnete Gruppen ringen miteinander um die Macht und die Kontrolle über das Erdöl und andere Bodenschätze.
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