Abuja (epd). Alhadschi Jussuf Kebbi hat seine Wahl schon getroffen. Der Großhändler sitzt mitten im Getümmel des Marktes von Kuchigoro auf einem Plastikstuhl. "Ich werde für Muhammadu Buhari stimmen, er ist ehrlich und vertrauenswürdig", sagt er schlicht. Kebbi muss das sagen, er leitet den Wahlkampf für die Wiederwahl des nigerianischen Präsidenten in Kuchigoro, einem Viertel aus Wellblechhütten an der Autobahn, die von der Hauptstadt Abuja nach Westen führt. Auf Kebbis Auto prangt ein Aufkleber: "Baba, carry go" - Papa, mach weiter.
Ob der 76-jährige Buhari tatsächlich weitermachen kann, ist unmittelbar vor der Präsidentenwahl am Samstag ungewiss. Verlässliche Prognosen gibt es nicht in dem westafrikanischen Land mit 200 Millionen Einwohnern und mehr als 84 Millionen registrierten Wählern. Doch alle gehen von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Buhari und seinem wichtigsten Herausforderer Atiku Abubakar aus, der im Vergleich mit 72 fast schon jugendlich wirkt. Im Wahlkampf betont der Self-made-Milliardär, der sein Geld unter anderem in der Öl-Branche gemacht hat, seine Agilität und gibt sich als Macher.
Vielen Nigerianern geht es schlecht
In seinem "Atiku-Plan" verspricht er, jährlich knapp 80 Milliarden Euro in die marode Infrastruktur des Staates zu stecken. Finanzieren sollen das Privatunternehmen, einen Teil will Atiku selbst beisteuern. Das wäre nötig, denn der nigerianische Staat verfügt derzeit über einen jährlichen Haushalt von nicht einmal einem Drittel der Summe. Atiku will zugleich Unternehmenssteuern senken, mindestens 2,5 Millionen Arbeitsplätze im Jahr schaffen und das Bruttosozialprodukt bis 2025 verdoppeln. Privatisierungen von Staatsunternehmen vor allem in dem von Korruption gebeutelten Ölsektor sollen dazu einen Beitrag leisten.
Buhari verspricht dagegen, den Kampf gegen Korruption fortzuführen. Auch nach vier Regierungsjahren gilt er als durch und durch integer. Doch seit die Ölpreise 2016 massiv eingebrochen sind, geht es vielen Nigerianern schlecht. Die Langsamkeit des Präsidenten hat zu dem geflügelten Wort "Baba Go-Slow" - Papa Stau - geführt, einen Aufbruch erwarten selbst seine Anhänger nicht von ihm. Ein anderes Problem ist seine angeschlagene Gesundheit. Monate lang wurde Buhari in britischen Krankenhäusern behandelt, musste sich sogar Gerüchten erwehren, er sei längst tot und werde durch ein Double ersetzt.
Für die Stimmabgabe fließt Geld
Entscheidend für den Ausgang der Wahl, für die insgesamt 73 Kandidatinnen und Kandidaten zugelassen sind, sind zudem nicht nur die besseren Argumente. Beide Kandidaten fahren ihre Anhänger busweise zu Kundgebungen und zahlen dafür. Auch für die Stimmabgabe fließt Geld: Bei Gouverneurswahlen im Bundesstaat Ekiti zahlte die siegreiche APC-Partei von Präsident Buhari im Juli vergangenen Jahres pro Stimme 5.000 Naira, etwa 12 Euro, fanden Journalisten heraus. Atikus PDP verlor, sie soll nur 4.000 Naira geboten haben. Weil Stimmenkauf auch in Nigeria illegal ist, hat die Wahlkommission jetzt Handys in den Wahlkabinen verboten, mit denen die Stimmabgabe dokumentiert wurde.
Für Probleme sorgen auch die biometrischen Wahlkarten, die eigentlich Wahlbetrug verhindern sollen. Sieben Millionen davon waren zuletzt noch nicht verteilt. Im Norden, wo der Terror von Boko Haram die Ausgabe der Karten erschwert, sollen sie zu Hunderten traditionellen Chiefs gegeben worden sein, die die damit verbundenen Stimmen jetzt meistbietend verkaufen. Außerdem wurden zuletzt zwei Lager mit Wahlmaterial in Brand gesetzt.
Anspannung ist groß
Ausländische Wahlbeobachter sollen darüber wachen, dass trotz alledem eine freie Wahl stattfindet. Der Gouverneur von Kaduna drohte vorab, dass all jene, die sich in Nigerias Angelegenheiten einmischten, in Leichensäcken nach Hause reisen würden. Aus EU-Kreisen hieß es, man lasse sich davon nicht einschüchtern. Doch die Anspannung ist groß. Auch weil in vielen Wahlkampfreden Hass auf Gegner geschürt wurde, gibt es Angst vor Ausschreitungen und Gewalt. Terrorgruppen wie Boko Haram haben zudem Anschläge angedroht.
Für einen Sieg ist nicht nur eine einfache Mehrheit nötig, sondern außerdem ein Stimmenanteil von mindestens 25 Prozent in zwei Dritteln der 36 Bundesstaaten. Andernfalls gibt es eine Stichwahl, die zwei Wochen später stattfinden könnte. Nicht zuletzt aus Politikmüdigkeit wird mit einer niedrigen Wahlbeteiligung gerechnet. Entscheidend könnten zwei Jahrzehnte nach Ende der Diktatur von Sani Abacha diejenigen sein, die als Erwachsene noch keine Gewaltherrschaft erlebt haben. Mehr als die Hälfte der Wähler ist jünger als 35 Jahre.
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