Berlin (epd). Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will deutsche Unternehmen bei der Einhaltung von Menschenrechtsstandards stärker in die Pflicht nehmen. Eine Ministeriumssprecherin sagte am Montag auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) in Berlin, es gebe erste vorbereitende Arbeiten für verbindliche Ansätze. Nicht kommentieren wollte sie einen Bericht der Berliner "tageszeitung" (Montag), wonach als Reaktion auf die Katastrophen in den asiatischen Fabriken Ali Enterprises und Rana Plaza 2012 und 2013 mit mehr als 1.000 Todesopfern bereits ein Entwurf für ein "Wertschöpfungskettengesetz" erarbeitet worden sei.
Müller hat schon mehrfach mit einem "Lieferkettengesetz" gedroht, sollte die Selbstverpflichtung deutscher Unternehmen zur Einhaltung der menschenrechtlichen Standards bei der Produktion im Ausland nicht die gewünschten Ergebnisse liefern. Der Minister bezieht sich dabei auf den Koalitionsvertrag, in dem von einer "ambitionierten Umsetzung" internationaler entwicklungspolitischer Zusagen der Bundesregierung die Rede ist. Grundlage ist der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP), der folgendes vorsieht: Wenn weniger als die Hälfte der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten bis 2020 dieser "Sorgfalt" nicht nachgehen, wird "die Bundesregierung weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen prüfen". Ferner soll "eine Erweiterung des Kreises" der Unternehmen geprüft werden, gegebenenfalls sollen also auch Firmen mit weniger Mitarbeitern erfasst werden.
Existenzsichernde Löhne
Wie die "tageszeitung" nun unter Berufung auf ein ihr vorliegendes Papier aus dem Ministerium berichtete, soll das neue Gesetz vornehmlich für "große" Unternehmen mit über 250 Beschäftigten und mehr als 40 Millionen Euro Jahresumsatz gelten. Konkret genannt würden unter anderen die Branchen Landwirtschaft, Energie, Bergbau, Textil-, Leder- und Elektronikproduktion.
Unternehmen mit Sitz in der Bundesrepublik müssten nach dem Vorhaben künftig stärker darauf achten, dass beispielsweise die Fabrikgebäude in Ostasien sicher gebaut sind, die Beschäftigten existenzsichernde Löhne erhalten, die maximal zulässige Arbeitszeit nicht überschritten wird und die Umgebung nicht durch giftige Chemikalien verseucht wird. Entwicklungs- und Bürgerrechtsorganisationen fordern seit Jahren ein Gesetz zur Umsetzung der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte. Das Blatt berichtete ferner, dass das Vorhaben ein neues Gesetz für die Sorgfaltspflichten von Unternehmen mit geplanten Änderungen unter anderem im Handelsgesetzbuch kombiniert.
Germanwatch begrüßte die Pläne
Die Firmen sollen laut Zeitungsbericht interne Analysen zu menschenrechtlichen Risiken in ihren Produktionsketten einführen. Ein "Compliance-Beauftragter" solle über die Einhaltung von Sorgfaltspflichten wachen. Ausländischen Beschäftigten solle ein Beschwerdemechanismus im Unternehmen zur Verfügung stehen. Hinweisgeber müssten vor möglichen Nachteilen geschützt werden. Die Gewerbeaufsicht, die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sowie die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung sollten die Regelungen gegenüber den Firmen durchsetzen und kontrollieren.
Die Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch begrüßte die Pläne und bot an, die eigene Expertise in die Debatte einzubringen. Cornelia Heydenreich, Teamleiterin Unternehmensverantwortung, erklärte, dass ein verbindlicher Rahmen zur Achtung der Menschenrechte erforderlich sei, "damit nicht nur ein paar Vorreiterunternehmen aktiv werden, sondern die gesamte Wirtschaft einbezogen ist".
Der Sprecher für Entwicklungspolitik der Grünen im Bundestag, Uwe Kekeritz, forderte, dass Müller jetzt liefern müsse. Bisher habe es der Minister nicht geschafft, diesbezüglich in der Regierung Bündnisse zu schmieden und sich am Kabinettstisch durchzusetzen.
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