Studie: Jedem vierten Menschen werden Freiheitsrechte vorenthalten

epd-bild/Christian Ditsch
Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von "Brot für die Welt" (Archivbild)
Nur sehr wenige Menschen weltweit haben die Möglichkeit, ihre Freiheitsrechte voll auszuleben. Eine deutliche Mehrheit lebt in Ländern, in denen sozial oder politisch Engagierte drangsaliert und bedroht werden. Auch in Europa wird es schlechter.

Berlin (epd). Etwa jedem vierten Menschen weltweit werden dem neuen "Atlas der Zivilgesellschaft" zufolge Freiheitsrechte vorenthalten. Wie aus der am Mittwoch in Berlin vorgestellten Studie des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt" und des internationalen Netzwerks Civicus hervorgeht, leben rund zwei Milliarden Menschen in 23 Staaten, in denen Kritik oder Proteste gewaltsam unterbunden werden. In diesen Ländern ist laut der Erhebung der Raum für eine Zivilgesellschaft "geschlossen": Dazu gehören demnach Ägypten, China, der Iran, Saudi-Arabien, Usbekistan und die Zentralafrikanische Republik.

Nur vier Prozent der Weltbevölkerung - rund 282 Millionen Menschen - haben dem Bericht nach uneingeschränkt die Freiheit, sich zum Protest zu versammeln und ihre Meinung zu äußern. Sie leben laut Studie in 45 "offenen" Staaten, die wie Deutschland, Kanada oder Uruguay die Menschenrechte voll respektieren und schützen. Bei insgesamt 196 untersuchten Ländern ist in 40 Staaten mit gut einer Milliarde Menschen die Freiheit grundsätzlich zwar gegeben, wenn auch "beeinträchtigt".

Italien und Österreich herabgestuft

Verschlechterungen gab es laut Bericht auch in Europa: So seien Italien und Österreich herabgestuft worden, was den Handlungsraum für gesellschaftliche Initiativen angeht. Dieser gelte nach Wahlsiegen populistischer Parteien dort nicht mehr als "offen", sondern als "beeinträchtigt". So kriminalisiere die italienische Regierung die Besatzung ziviler Seenotrettungsboote als "Schleuser". In Österreich würden Flüchtlingshelfer verunglimpft. "So fängt es an", warnte die Präsidentin von "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel. Diffamierung sei der erste Schritt, um Zivilgesellschaft einzuschränken.

In 53 weiteren Staaten mit 2,7 Milliarden Menschen wiederum sind die gesellschaftlichen Handlungsräume "beschränkt", in 35 Ländern mit 1,4 Milliarden Menschen "unterdrückt". Diese beiden Kategorien bedeuten, dass die Menschen befürchten müssen, überwacht, drangsaliert und eingeschüchtert zu werden. Als einziges Land der Europäischen Union wurde Ungarn mit der Kategorie "beschränkt" bewertet. Unter anderem sei dort ein neues Delikt ins Strafgesetzbuch eingeführt worden: "Unterstützung illegaler Einwanderung". Damit drohten Anwälten oder Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr, wenn sie beispielsweise Flüchtlinge im Asylverfahren berieten.

Existenzbedrohende Einschüchterungen

Füllkrug-Weitzel, sagte, dass für einige internationale Partnerorganisationen des Hilfswerks derzeit Einschüchterungen und Drohungen gegenüber ihren Mitarbeitern existenzbedrohend seien. Das zeigten aktuelle Entwicklungen etwa in Nicaragua, Guatemala und Brasilien. Mit Verweis auf vergangene Waffenlieferungen in mexikanische Unruheregionen forderte sie die Bundesregierung auf, darauf zu achten, dass Firmen im außenwirtschaftlichen Handeln nicht dazu beitrugen, dass Menschenrechte zusätzlich verletzt würden. Zugleich äußerte sie die Sorge, dass EU-Entwicklungsgelder zunehmend umfunktioniert würden für außen- und sicherheitspolitische Ziele.

Nach Einschätzung von "Brot für die Welt" und Civicus führt auch soziale Ungleichheit in einigen Ländern letztlich zu einer Einschränkung von Freiheitsrechten. Denn Korruption und ausbeuterische Arbeit zögen Proteste nach sich, denen wiederum mit Repression und Verfolgung begegnet werde. So ergriffen derzeit auch in 13 der 28 EU-Staaten die Regierungen Maßnahmen gegen Journalisten, Menschenrechtler und politische Aktivisten.

Ein Vergleich zum "Atlas der Zivilgesellschaft" 2018 ist bei der diesjährigen Erhebung nur bedingt möglich. Denn wegen einer geänderten Berechnungsmethode gibt es stellenweise deutliche Diskrepanzen: So leben aktuell laut Bericht vier Prozent der Weltbevölkerung in "offenen" Gesellschaften, während es in der Studie vom Vorjahr gerade einmal zwei Prozent waren.

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