UN: Todesrate von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer steigt

epd-bild/Danilo Campailla/Mission Lifeline
Gerettete Flüchtlinge auf dem Mittelmeer (Archivbild)
Vereinte Nationen kritisieren EU-Politik und Libyen
Die Fahrt über das Mittelmeer ist für Bootsflüchtlinge noch gefährlicher geworden. 2018 kamen pro Tag sechs Migranten bei dem Versuch, Europa zu erreichen, ums Leben, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk beklagt.

Genf, Berlin (epd). Die Vereinten Nationen prangern eine alarmierend hohe Zahl von Flüchtlingen an, die bei der Fahrt über das Mittelmeer ums Leben kommen. Mit durchschnittlich sechs Toten pro Tag sei das Mittelmeer 2018 wieder die weltweit gefährlichste Seeroute gewesen, teilte das Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Mittwoch in Genf mit. Insgesamt seien dort im vergangenen Jahr 2.275 Migranten und Flüchtlinge ertrunken.

Den Angaben zufolge sank zwar die Zahl der Toten auf der zentralen Mittelmeerroute von Libyen nach Europa auf weniger als die Hälfte, aber die Todesrate hat sich mehr als verdoppelt. Auf jeweils 14 Flüchtlinge und Migranten, die in Europa ankamen, war laut UNHCR ein Toter zu beklagen. 2017 kam ein Flüchtling ums Leben, während 38 ihr Ziel erreichten.

Uralte Verpflichtung

Das UNHCR macht die restriktive Flüchtlingspolitik von EU-Staaten dafür mitverantwortlich, dass Migranten auf Schlepperbooten in Gefahr geraten und ihr Leben verlieren. So verweigerte Italien privaten Seenotrettungsschiffen die Einfahrt in seine Häfen. Die Rettung von Menschenleben auf hoher See sei keine Frage der Politik, sondern eine uralte Verpflichtung, betonte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi.

Die Bundesregierung reagierte mit Bedauern auf die Todeszahlen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, dies sei eine "sehr traurige Zahl". Sie zeige, "wie absolut gewissenlos die Schlepper die Menschen in den Tod schicken, nachdem sie ihnen vorher das Geld abgenommen haben". Es sei daher richtig, das kriminelle Schleuserwesen zu bekämpfen.

Baerbock: EU dürfe dem Sterben nicht weiter zuschauen

Grüne und Linke im Bundestag forderten eine funktionierende Seenotrettung und kritisierten die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache, die Bootsflüchtlinge zurück nach Libyen bringt. "Die Zahlen belegen auf erschreckende Weise, was passiert, wenn zivile Seenotrettung von Staaten verhindert wird und die europäischen Länder selbst keine Rettungsschiffe mehr stellen", sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Die EU dürfe dem Sterben nicht weiter zuschauen. "Dringender denn je ist eine Europäische Seenotrettung notwendig."

Luise Amtsberg, Sprecherin für Flüchtlingspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, ergänzte, immer wieder berichteten Schutzsuchende, sie würden lieber ihr Leben im Meer lassen, als weiter in den libyschen Foltergefängnissen misshandelt zu werden.

"Verbrecherische Flüchtlingspolitik"

Die Linksfraktion sprach von einer "verbrecherischen Flüchtlingspolitik" der EU-Staaten. "Statt die Transitländer in Nordafrika zu immer mehr Abschottungsmaßnahmen zu nötigen, muss die EU Menschen in Not legale und sichere Fluchtwege eröffnen", sagte die innenpolitische Sprecherin Ulla Jelpke.

Laut UNHCR brachten Küstenwachschiffe Tausende Flüchtlinge und Migranten zurück nach Libyen, wo sie unter entsetzlichen Bedingungen festgehalten würden. Der Italiener Grandi verlangte eine langfristig ausgelegte regionale Kooperation, in deren Mittelpunkt der Schutz und die Würde der Menschen stehen müssten. Im vergangenen Jahr seien 140.000 Flüchtlinge und Migranten über das Mittelmeer in Europa angekommen, das sei die niedrigste Zahl seit fünf Jahren. Die meisten Menschen, fast 55.000, seien 2018 in Spanien eingetroffen.

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