Gefährliches Spiel auf Zeit in Venezuela

Außenminister Maas erneuert die Forderung nach Neuwahlen
In Venezuela beschwört der angeschlagene Präsident Maduro die Loyalität der Armee. Oppositionsführer Guaidó hat als selbsterklärter Interimspräsident bereits den Rückhalt der USA. Und das Ultimatum der Europäer läuft am Sonntag ab.

Berlin, Caracas (epd). Nach zunehmendem internationalen Druck versucht Venezuelas sozialistischer Präsident Nicolás Maduro, auf Zeit zu spielen. Dabei bot er der Opposition Verhandlungen "zum Wohl Venezuelas" an, wie er in einem Interview der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti sagte, aus dem "El Universal" am Mittwoch zitierte.

Maduro nannte allerdings Bedingungen: Er schloss vorgezogene Präsidentschaftswahlen aus. Doch genau dies ist eine Bedingung der Opposition und der internationalen Gemeinschaft. Gleichzeitig beschwor Maduro die Streitkräfte, "maximale Disziplin" zu befolgen. Sie stehen bislang geschlossen hinter ihm.

Indes forderte Oppositionsführer Juan Guaidó seine Anhänger für diesen Mittwoch zu weiteren Massenprotesten auf. Der konservative Parlamentspräsident hatte sich am 23. Januar zum Übergangspräsidenten ausgerufen.

Maas appelliert an Maduro

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) verlangte von Maduro nachdrücklich, unverzüglich Neuwahlen abzuhalten. "Der politische Prozess muss über freie und legitimierte Neuwahlen erfolgen", sagte Maas am Mittwoch im Bundestag. Zugleich sprach er Maduro die Legitimation ab, der im Mai 2018 in einer umstrittenen Wahl im Amt bestätigt worden war. Seine zweite Amtszeit dauert bis 2025.

Maduro sei nicht der demokratisch gewählte Präsident Venezuelas, sagte der Minister. Die Situation in dem südamerikanischen Land sei unerträglich. Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit würden von Maduro "mit Füßen getreten".

EU-Außenminister beraten

Die Hoffnung auf einen Neuanfang in Venezuela verbinde sich mit der Nationalversammlung, als der einzigen demokratisch legitimierten Macht in Venezuela, sagte Maas. Das von der bürgerlichen Opposition dominierte Parlament ist weitgehend entmachtet. Im Einklang mit Artikel 233 der venezolanischen Verfassung wird es aber laut Maas an Parlamentspräsident Guaidó sein, die Venezolaner zu Neuwahlen zu führen. An diesem Donnerstag beraten die EU-Außenminister in Bukarest über ein gemeinsames Vorgehen in Bezug auf Venezuela.

Frankreich, Spanien, Deutschland und Großbritannien hatten Maduro eine Frist von acht Tagen gesetzt, um Neuwahlen abzuhalten. Ansonsten würden sie Guaidó als Interimsstaatschef anerkennen. Die Frist läuft am Sonntag aus. Die USA, Kanada und viele lateinamerikanische Länder haben Guaidó bereits als legitimen Staatschef anerkannt.

Ausreisesperre für Guaidó

Unterdessen verhängte das Oberste Gericht Venezuelas eine Ausreisesperre gegen Guaidó und ließ seine Konten einfrieren. Die Richter folgten einem Antrag von Generalstaatsanwalt Tarek William Saab, wie "El Universal" berichtete. US-Sicherheitsberater John Bolton warnte indes via Twitter vor "ernsthaften Konsequenzen" für alle, die Guaidó schadeten.

Maduro wandte sich in einer Ansprache an das Militär. Venezuela brauche die Streitkräfte, die treu zum Volk stünden und die Integrität des Vaterlandes verteidigten, sagte er auf einer Armeebasis. Er kündigte er an, dass 50.000 neue "Einheiten der Volksverteidigung" in Städten und Dörfern aufgebaut würden. Die bewaffneten sogenannten Colectivos sind gefürchtete motorisierte Banden, die Anti-Regierungsproteste gewaltsam zerschlagen und oft nachts marodierend durch Stadtviertel ziehen. Bei den Protesten der vergangenen Wochen wurden laut UN-Angaben 40 Menschen getötet und rund 850 inhaftiert.

Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" beklagt zunehmende massive Zensur privater Medien bei der Berichterstattung über die aktuelle Staatskrise. "Die Maduro-Regierung zensiert unabhängige Berichterstattung und behindert Journalistinnen und Journalisten systematisch in ihrer Arbeit", sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von "Reporter ohne Grenzen". Für die große Mehrzahl der Venezolaner sei es unmöglich, an unabhängige Informationen über die unübersichtliche politische Lage zu kommen.

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