Maputo, Harare (epd). In die Stadt fährt Tracy Miller derzeit lieber nicht. "Das ist sinnlos", sagt die junge Entwicklungshelferin, die in einem Vorort der Hauptstadt Harare wohnt. "Die Schulen sind geschlossen, die Geschäfte auch, und im Büro gibt es kein Internet, was soll ich da tun?", sagt sie dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Telefon. Tracy Miller ist nicht ihr richtiger Name. Den möchte sie lieber nicht genannt wissen. Seit Montag kommt es zu Ausschreitungen in Simbabwe als Reaktion auf eine drastische Erhöhung der Spritpreise.
Die Entwicklungshelferin hat gehört, dass Soldaten in bestimmten Vierteln von Tür zu Tür gingen, um Menschen zu verprügeln, einzuschüchtern und davon abzuhalten, weiter auf die Straße zu gehen. Der Anwalt Doug Coltart und eine BBC-Reporterin berichten Ähnliches. Bis Mittwoch sollen mehr als 200 Menschen festgenommen worden sein, darunter nach Angaben des südafrikanischen Rundfunks SABC der bekannte Aktivist Evan Mawarire. Auch Tote gab es. Fünf Menschen seien am Montag und drei am Dienstag getötet worden, beklagt die Opposition. Aber die genaue Zahl ist unbekannt.
Drei Kilometer lange Schlangen vor Tankstellen
Der Protest brach am Montag relativ spontan aus. Es gab Streikaufrufe von Gewerkschaftern, es gab Ankündigungen von Protesten in sozialen Netzwerken. Aber in Simbabwe ist nach solchen Aufrufen oft unklar, wie groß der Zuspruch sein wird. "Uns war aber klar, dass etwas passieren würde", sagt Tracy Miller. In der Vorwoche seien die Schlangen vor den Tankstellen drei Kilometer lang gewesen. Und wer nicht das Privileg habe, aus dem Ausland unterstützt zu werden, könne sich ohnehin kaum mehr versorgen, mangels Devisen. Das Leben sei zu teuer geworden.
Die Ankündigung vom Wochenende, die Spritpreise um das Anderthalbfache zu erhöhen - auf umgerechnet 3,11 bis 3,31 Euro pro Liter - habe das Fass zum Überlaufen gebracht. Denn dadurch würden sich auch alle anderen Preise weiter erhöhen.
Eines der ärmsten Länder der Welt
Simbabwe mit rund 17 Millionen Einwohnern gehört zu den ärmsten Staaten der Welt. Das Land im südlichen Afrika liegt im UN-Entwicklungsindex für die Lebensqualität weit unten auf Platz 156 von 189 Staaten. Nelson Chamisa, Chef der Oppositionspartei MDC ("Bewegung für demokratischen Wandel"), kommentierte die Proteste denn auch mit den Worten: "Wir haben eine nationale Krise, die sich zu einer humanitären Krise auswächst."
Das MDC-Hauptquartier in Harare wurde von Unbekannten verwüstet, doch auch Einrichtungen der Regierungspartei Zanu-PF sollen beschädigt worden sein. Mehr als ein Jahr nach dem Sturz des Langzeitherrschers Robert Mugabe scheint auch die nachfolgende Regierung unter Mugabes langjährigem Gefolgsmann Emerson Mnangagwa das Vertrauen der Bevölkerung verspielt zu haben.
Wirtschaftliche Gründe
Das hat auch wirtschaftliche Gründe: Die einstige Exportnation Simbabwe besitzt kaum mehr Devisen, ist aber auf Einfuhren angewiesen. Die Inflation liegt im zweistelligen Bereich, US-Dollars sind knapp. Offenbar um Unterstützung in großer Not zu erheischen, besuchte Präsident Mnangagwa während der Protesttage den russischen Staatschef Wladimir Putin in Moskau.
Nicht nur in Harare, sondern auch in dicht besiedelten Vororten sowie in den großen Städten Bulawayo und Mutare kam es zu Protesten. Sicherheitsminister Owen Ncube machte in der regierungsnahen Zeitung "The Herald" die Opposition für die Ausschreitungen verantwortlich. Gleichzeitig ließ die Regierung das Internet abschalten und damit die sozialen Netzwerke. Ein gefährlicher Schritt, warnte "Human Rights Watch", weil dadurch auch die Koordination medizinischer Noteinsätze erschwert werde. Außerdem wachsen so die Spannungen, weil Gerüchte viel schwerer überprüft werden können.
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