Genf (epd). Den Bruch mit Traditionen kann Tony Rinaudo empfehlen. Der Australier jedenfalls hat nur gute Erfahrungen damit gemacht. "Als ich jung war und bei der Aufforstung des Sahel helfen wollte, da habe ich mich an unsere westlichen Traditionen gehalten und in Niger Bäume gepflanzt, viele Bäume", erinnert er sich. Das Problem: Es brachte nichts. "Ich habe versucht, noch härter zu arbeiten, früher zu pflanzen, mehr zu wässern oder neue exotische Spezies auszuprobieren - alles ohne Erfolg." Nur durch Zufall fand Rinaudo heraus, dass gar nicht die Bäume das Problem waren, sondern die Traditionen - seine und die der Bevölkerung vor Ort.
Im Norden Nigers stößt die Wüste an die staubige Ebene, die Generationen von Bauern von aller Vegetation befreit haben. "Dort hält ein ordentlicher Bauer seine Felder traditionell frei von allem, was er nicht gepflanzt hat, nur nachlässige Bauern tun das nicht", erklärt Rinaudo. Eines Tages, es war 1983, fuhr er mit einer Ladung Bäume in Richtung eines Dorfes, obwohl er längst wusste, dass sie eingehen würden wie die anderen auch. "Schließlich habe ich frustriert angehalten, bin umhergelaufen und habe mir erstmals die Büsche in der Umgebung angeschaut - und gemerkt, dass das Bäume waren!" Das änderte alles, sein Leben und das der Bauern.
Bescheiden und glücklich
Seine Geschichte hat Tony Rinaudo in den vergangenen Wochen vielleicht ein paar hundert Mal erzählt, seit die Jury des Alternativen Nobelpreises ihn am 24. September zum Preisträger ernannt hat. Das Erzählen von sich fällt Rinaudo inzwischen leichter, obwohl man immer noch merkt, wie bescheiden er ist. Er fühle sich geehrt, vor allem aber glücklich, sagt er über die Auszeichnung, die sein System der Aufforstung durch die Bauern selber weltberühmt gemacht hat. "Besonders glücklich macht mich aber, dass alle meine Kollegen sich genauso gefreut haben, dass es sich also um einen Preis für uns alle handelt, nicht nur für mich."
Als Rinaudo in Niger die Bäume fand, die er vor lauter Plänen vom neugepflanzten Wald nicht gesehen hatte, begann er, seine Strategie zu ändern. Er überredete befreundete Bauern, mit ihren Traditionen zu brechen und die Triebe der Bäume auf ihren Feldern zu pflegen anstatt sie wie bisher auszureißen. Die meisten wollten davon nichts wissen, schnell war Rinaudo der "verrückte weiße Bauer". Doch die, die mitmachten, wurden nach einer Dürre mit besserer Ernte belohnt, mit Schatten auf den Feldern und kostenlosem Futter für das Vieh. Ohne dass Rinaudo davon wusste, erzählten Bauern Freunden und Verwandten auf Besuch von der Idee, die sich so im ganzen Land ausbreitete.
Methode kopiert
200 Millionen Bäume sind dank Rinaudos Methode inzwischen alleine in Niger gepflanzt worden. In vier Sahelstaaten haben Bauern die Methode kopiert, für die sie nur ein geübtes Auge, ein Messer und Geduld brauchen. Und die Bereitschaft, sich von Traditionen zu lösen. "Wenn Du von falschen Voraussetzungen ausgehst, dann spielt es keine Rolle, wie sehr Du Dich bemühst, wie viel Geld Du ausgibst oder wie klug Du bist - Du wirst nie die beste Lösung für das Problem finden, das Du lösen willst", sagt Rinaudo.
Und trotzdem werden überall in Afrika bis heute Millionen Bäume gepflanzt, vor allem Eukalyptus. "Als Monokultur ist das einfach nur schädlich - und dann kosten diese Pflanzprogramme Millionen, obwohl alle wissen, dass nur wenige Bäume überleben." Vielleicht ist einer der Gründe dafür, dass Rinaudos Idee sich noch nicht flächendeckend durchgesetzt hat, der, dass er niemanden reich zu machen verspricht, keinen Großgrundbesitzer, kein Unternehmen und keinen korrupten Regierungsbeamten. "Dabei profitieren auch die Reichen davon, wenn die Armen mehr Geld haben, weil die Kaufkraft insgesamt steigt."
Afrika grüner machen
Mit dem Rückenwind des Alternativen Nobelpreises führt Rinaudo jetzt mit mehr Regierungen Verhandlungen. So will die äthiopische Regierung jährlich eine Milliarde Bäume aufforsten und bis 2030 rund 50 Millionen Hektar Fläche zu Wald machen. "Wir sind im Gespräch mit dem zuständigen Ministerium, das unsere Methode einsetzen will." Rinaudo sagt wir, weil der "verrückte Bauer" von einst längst bei der Organisation Worldvision im Team für sein Ziel arbeitet, Afrika grüner zu machen und die Wüsten aufzuhalten.
Alleine fühlt sich Rinaudo in seinem Kampf schon lange nicht mehr. Bei der Verleihung des Alternativen Nobelpreises traf er zum zweiten Mal Yacouba Sawadogo, einen Kleinbauern aus Burkina Faso, der die staubigen Böden seiner Heimat mit einer traditionellen, fast vergessenen Anbauweise wieder zum Blühen bringt. "Unsere Methoden ergänzen sich wunderbar", freut sich Rinaudo. Was zeigt, dass Traditionen ihren Platz haben, solange sie nicht unhinterfragt bleiben.
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