Düsseldorf, Krefeld (epd). Der ehemalige Arzt der Sektensiedlung Colonia Dignidad, Hartmut Hopp, muss in Deutschland nicht in Haft. Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied als letzte Instanz in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss, dass ein chilenisches Urteil nicht in Deutschland vollstreckt wird. Das Urteil reiche nicht aus, um nach deutschem Recht eine Strafbarkeit zu begründen (AZ: III-3 AR 158/17).
Der 74-Jährige war in Chile wegen Beihilfe zur Vergewaltigung von Minderjährigen in vier Fällen und zum sexuellen Missbrauch von Minderjährigen in 16 Fällen zu einer Haftstrafe von gut fünf Jahren verurteilt worden. Die Taten wurden laut chilenischem Urteil zwischen 1993 und 1997 in der deutschen Sektensiedlung von deren Gründer Paul Schäfer begangen, der 2010 in chilenischer Haft starb.
Keine Rechtsmittel mehr möglich
Der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts hob nun eine Entscheidung des Landgerichts Krefeld von 2017 auf, wonach Hopp seine Haftstrafe in Deutschland verbüßen müsse. Gegen den Beschluss der Düsseldorfer Richter gibt es kein Rechtsmittel. Hopps Verteidiger Helfried Roubicek erklärte, damit sei sein Mandant "total rehabilitiert".
Hopp war 2011 nach seiner Verurteilung nach Deutschland geflohen und lebt in Krefeld. Eine Auslieferung nach Chile lehnte Deutschland ab. Nachdem das Urteil 2013 in Chile rechtskräftig wurde, ersuchte das Land die Bundesrepublik, die Strafe in Deutschland zu vollstrecken.
Das lehnte das Oberlandesgericht Düsseldorf nun ab. Für eine Verurteilung zur Beihilfe reiche es nach deutschem Recht nicht, dass Hopp der Führung der Colonia Dignidad und später ihrer Nachfolgeorganisation Villa Baviera angehört habe. Auch sein Mitwirken an der Gründung des Internats der Sektensiedlung sei dafür nicht ausreichend. Die Richter erklärten, es seien keine konkreten Handlungen des Ex-Sektenarztes festgestellt worden, die den Missbrauch der Internatsschüler durch Schäfer "zumindest objektiv erleichtert hätten". Dem chilenischen Urteil sei auch nicht zu entnehmen, dass Hopp Schäfer in seinen Taten bestärkt habe.
Schwieriger Tag für die Opfer
Der Krefelder Oberstaatsanwalt Axel Stahl, der die Vollstreckung gefordert hatte, erklärte, das Oberlandesgericht habe das chilenische Urteil anders beurteilt als seine Behörde. Die Erläuterungen erschienen ihm aber juristisch nachvollziehbar. Stahl betonte, ihm sei klar, dass es für die Opfer "ein schwieriger Tag" sei.
Bei der Staatsanwaltschaft Krefeld laufen weiterhin Ermittlungen, um Hopp möglicherweise nach deutschem Recht anzuklagen. Stahl erklärte, man werde nun prüfen, welche Konsequenzen der Beschluss für die eigenen Ermittlungen zum Tatvorwurf der Beihilfe zum sexuellen Missbrauch habe. Daneben ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Vorwürfen der Beteiligung an der Tötung von drei Oppositionellen 1976 und einer nicht medizinisch indizierten Abgabe von Psychopharmaka.
Die Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) nannte den Gerichtsbeschluss einen "Schlag ins Gesicht der Opfer". ECCHR-Generalsekretär Wolfgang Kaleck erklärte in Berlin: "Die jahrzehntelange Blockadehaltung zur Aufarbeitung des Unrechtssystems in der Colonia Dignidad muss von höchster Stelle politisch beendet werden." Die Organisation hatte 2011 mit der Kooperationsanwältin Petra Schlagenhauf Strafanzeige gegen Hopp bei der Staatsanwaltschaft Krefeld eingereicht.
Demonstrationen gegen Hopp
Dagegen betonte Hopps Verteidiger Roubicek, der Gerichtsbeschluss gebe seinem Mandanten Recht "und damit auch hoffentlich Hartmut Hopp zunächst insofern seine Würde zurück". Sein Mandant sei "in Krefeld gemieden, beschimpft und vom täglichen Leben in seinem sozialen Umfeld ausgegrenzt" worden. Vor seiner Haustür habe es Demonstrationen gegeben.
Die Colonia Dignidad diente während der Militärdiktatur in Chile (1973-1990) als Folterzentrum des Geheimdienstes. Seit Jahrzehnten sorgt die Sektensiedlung wegen weiterer dort begangener Verbrechen wie sexuellem Missbrauch und illegalem Waffenhandel für Schlagzeilen.
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