Dubai, Neu-Delhi (epd). Der indische Bundesstaat Kerala leidet unter den schlimmsten Überschwemmungen seit 100 Jahren. Doch neben dem Wasser macht auch eine Flut an Nachrichten in den sozialen Medien der Regierung und Rettungskräften zu schaffen. Die Katastrophe zeigt erneut die enorme Macht der sozialen Medien.
Als die Wassermassen vor zwei Wochen kamen, hatte niemand eine Übersicht: Rettungsappelle und Hilferufe wurden wieder und wieder gepostet. Dies führte in den ersten Stunden zu Chaos. So überflog ein Rettungshubschrauber ein vom Wasser eingeschlossenes Haus, aus dem bereits alle Bewohner evakuiert worden waren. Mehr als 200 Menschen sind seit dem Beginn heftiger Regenfälle im südwestlichen Bundesstaat Kerala ums Leben gekommen. Mehr als eine Million Bewohner harren in Notlagern aus.
"Wir mussten einfach einen Weg finden", erklärt der 32-jährige Nair Prasanth. Als die Bilder von der verheerenden Überschwemmung im südindischen Kerala die Runde machten, beschloss der Verwaltungsangestellte in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi zu handeln, wie er indischen Medien erzählte. Mit Freunden in den USA und Großbritannien richtete er einen virtuellen Kontrollraum ein und begann Facebook-Seiten, Whatsapp-Gruppen und Twitter-Feeds zu durchkämmen.
Hilfe virtuell organisieren
Prasanth wollte die Dinge ordnen, eine Übersicht schaffen, um die Menschen in Not so schnell wie möglich zu orten und ihre Rettung zu koordinieren. Rasch hatte er über die sozialen Medien mehr als 6.000 Helfer engagiert, die meisten junge IT- Leute, Schüler und Studenten. Sie füllten Excel-Tabellen und Google-Bögen mit Namen und Adressen von Menschen in Not, verifizierten Daten und suchten nach Orten und Dörfern in Google-Maps. Es sei darum gegangen, Informationen zu sammeln, auszutauschen und weiterzugeben, sagt Prasanth.
Dabei spielt es keine Rolle, wo die Helfer sitzen: Sreejith Parappayi, ein Inder in Malaysia, kreierte die Facebook-Seite "Kerela safe roads", wo er Updates über die Situation im Bundesstaat veröffentlicht, um den Betroffenen im Flutgebiet Informationen darüber zu geben, welche Straßen unter Wasser stehen und wo noch Züge fahren. Andere erarbeiteten die Karte "Keralarescue", in denen die über 3.000 Notlager verzeichnet sind, die obdachlose Flutopfer aufnehmen.
Doch wo die sozialen Medien sich als Retter in der Not erwiesen, gab es auch dunkle Seiten: So machte ein Audio-Clip die Runde, worin behauptet wurde, die Flut habe nur wohlhabende Familien getroffen, und es gebe keinen Grund, Geld oder Kleider und Lebensmittel zu spenden. Auf Facebook fanden sich hetzerische Appelle wie "Spendet nicht für Kerala. Mehr als die Hälfte der Leute dort sind Christen und Muslime. Lasst sie leiden. Sie glauben an den falschen Gott." Und dann gab es Nachrichten über berstende Staudämme, die Panik unter der Bevölkerung erzeugen sollten.
Falschmeldungen enden nicht selten tödlich
Irreführende und falsche Nachrichten in den sozialen Medien sind in Indien weit verbreitet. Oft sind es nur harmlose Scherze, doch manchmal enden solche Nachrichten tödlich. Auf dem in Indien beliebte Messenger-Dienst Whatsapp etwa werden seit Monaten falsche Informationen über angebliche Geiselnahmen von Kindern verbreitet. "Lasst diese Leute in dem roten Auto nicht entkommen! Sie kidnappen Kinder", forderte eine Nachricht, die Mitte Juli an zahlreiche Whatsapp-Gruppen ging. Nur eine halbe Stunde später war ein 32-jähriger Software-Ingenieur tot, der im Bundesstaat Maharashtra unterwegs war. Seine drei Kollegen wurden schwer verletzt.
Mindestens 20 unschuldige Menschen sind in Indien seit Juni gelyncht worden, nachdem solche Nachrichten in Dörfern die Runde machten. Indiens Regierung führt derzeit Verhandlungen mit der Firma Whatsapp, um die Flut falscher Informationen auf der Plattform einzudämmen - bislang mit mäßigem Erfolg. Der Dienst hat in Indien mehr als 200 Millionen Nutzer.
Im Juli hat Whatsapp in Indien neue Regeln eingeführt, um das Verbreiten von Falschinformationen zu erschweren. Die Anzahl der Nutzer, an die eine Nachricht geschickt werden kann, wurde beschränkt. Doch Indiens Regierung ist nach wie vor der Ansicht, die Social-Media-Giganten müssten mehr tun, um die Inhalte auf ihren Plattformen zu kontrollieren.
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