Berlin (epd). Vier Jahre nach dem Überfall der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) auf die von Jesiden bewohnte Sindschar-Region im Nordirak werden noch immer Tausende Angehörige der religiösen Minderheit vermisst. "Wir gehen davon aus, dass etwa 2.600 überwiegend junge Frauen und Kinder verschollen, an einem unbekannten Ort sind, aber noch leben", sagte der Zentralratsvorsitzende der Jesiden, Irfan Ortac, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bei 6.800 vermissten Menschen - meist Männer und alte Frauen - befürchteten die Angehörigen aufgrund von Indizien und Zeugenaussagen, dass sie getötet worden seien.
Zu einigen der noch Lebenden habe man heimlich Kontakt aufnehmen können und wisse, dass Kinder und Jugendliche "Opfer von Gehirnwäsche sind und zu Dschihadisten ausgebildet werden", sagte Ortac. Sie sollten als Selbstmordattentäter "Kuffar" (arabisch: Ungläubige) töten, damit sie ins Paradies kommen. Von den gegen ihren Willen festgehaltenen Frauen hätten einige nach einer Vergewaltigung auch Kinder zur Welt gebracht.
"Spuren in den Maghreb"
Ortac, der auch Politologe ist, geht davon aus, dass die meisten Jesiden in Gefangenschaft sich nach wie vor in Syrien und im Irak befinden. Aber auch in anderen Ländern der Region: "Wir haben Spuren, die sogar in den Maghreb führen und auch in die Türkei." Weil die Frauen und Kinder von der Außenwelt abgeschnitten seien, glaubten sie, dass der IS alles beherrsche.
Vor dem IS-Überfall haben etwa 600.000 Jesiden in der Sindschar-Region im Nordirak gelebt. Heute sind es laut Ortac nur noch rund 40.000 - "die meisten von ihnen Kämpfer und deren Familien, die sich selbst verteidigt und die Dörfer nie verlassen haben". Hunderttausende seien noch in Flüchtlingscamps, weil sie sich nicht sicher fühlten. Etwa 300.000 seien ins Ausland geflohen: Die größte jesidische Gemeinde sei mit 200.000 Mitgliedern in Deutschland - 110.000 von ihnen seien alleine in den letzten drei Jahren hinzugekommen.
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