Regierungsplakat mit dem Präsidenten Daniel Ortega in Nicaragua (Archivbild)
Managua/São Paulo (epd). Fast täglich twittert Xiskya Valladares über die Proteste in Nicaragua, zeigt Fotos von Straßenkämpfen und Verwundeten. "Ortegas Gott ist nicht mein Gott", sagt sie. "Die Regierung hat jetzt der katholischen Kirche den Krieg erklärt." Valladares wirft dem Staatspräsidenten Daniel Ortega Staatsterrorismus vor. Sie kann so offen sprechen, weil sie nicht mehr in Nicaragua lebt. Trotzdem hat sie Todesdrohungen bekommen. Das Besondere: Valladares ist als twitternde Nonne im ganzen Land bekannt. Sie will den Diözesen weltweit mitteilen, wie es um die Menschenrechte in ihrem Heimatland steht.
Für den autokratisch regierenden Ortega und seine kapriziöse Ehefrau, Vizepräsidentin Rosario Murillo, wird es politisch eng. Seit mehr als drei Monaten kommt es fast täglich zu gewaltsamen Protesten gegen die Regierung. Knapp 400 Menschen wurden bei den Unruhen getötet, wie die nicaraguanische Menschenrechtskommission ANPDH mitteilt. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die Vereinten Nationen und die EU verurteilen die Gewalt und machen Ortega und regierungsnahe Paramilitärs mehrheitlich für die Toten verantwortlich. Bei den Friedensgesprächen mit der Opposition und zivilgesellschaftlichen Gruppen hat Ortega die katholische Kirche um Vermittlung gebeten. Doch die sind derzeit ausgesetzt.
Kirche als Staatsfeind
Inzwischen hat Ortega, der in fast all seinen Reden das Wort "Gott" in den Mund nimmt, die Kirche zum Staatsfeind erklärt. Auf einer Veranstaltung zum 39. Jahrestag der sandinistischen Revolution beschimpfte er vom Podium herab die Bischöfe. Er nannte sie Putschisten und warf ihnen vor, die Kirchen als Waffenlager für Terroristen zu missbrauchen. "Ich dachte, sie wären Mediatoren, aber sie sind den Putschisten verpflichtet", erregte sich der sandinistische Staatschef. Nach seiner Ansicht hat die katholische Kirche mit ihrem Kompromissvorschlag nach vorgezogenen Neuwahlen für das kommende Jahr ihre Vermittlerrolle verlassen. "Damit sind sie Plan eines Putsches", hält er den Geistlichen vor.
"Nur um eines klar zustellen. Auch wenn wir als Vermittler im Dialog agieren, heißt das nicht, dass wir neutral gegenüber Ungerechtigkeit, Menschenrechtsverletzungen und gegenüber dem Tod Unschuldiger sind", betont Weihbischof Silvio Báez, der für die Bischofskonferenz spricht. Überall, wo Priester Gewalt gegen Demonstranten registrierten, öffnen sie Kirchen als Schutzräume.
Die Hetzte gegen Geistliche ist inzwischen in tätliche Angriffe übergegangen. Kardinal Leopoldo Brenes wurde von Schlägertrupps verletzt, ein anderer Bischof in seinem Auto beschossen. Ein Gebäude der Caritas ging in Flammen auf, und in der Kirche Divina Misericordia in Managua wurden Scheiben eingeworfen und Sitzbänke herausgerissen.
Komplettes Abtreibungsverbot
Trotz dieser Attacken wollen die Bischöfe an ihrer Vermittlungstätigkeit festhalten. "Dialog ist die einzige Möglichkeit, um zu einer Befriedung des Landes zu gelangen", sagt Kardinal Brenes. "Wir stehen als Vermittler bereit, egal was Ortega über uns sagt", bekräftigt auch Baez. Doch jetzt nach all den Verleumdungen erneut den Dialog mit der Regierung zu beginnen, sei sehr schwierig, gibt er zu.
Ortegas Umgang mit der Kirche in seinem Land war schon immer von seinen politischen Ambitionen geprägt. Während des Bürgerkrieges gegen die Somoza-Diktatur stand die Theologie der Befreiung, also die Kirche der Armen, an der Seite der Sandinisten. Ihr wichtigster Vertreter in Nicaragua war Ernesto Cardenal. Zwischen 1979 und 1987 war der Priester und Poet Kultusminister seines Landes. Anfang 1985 suspendierte ihn Papst Johannes Paul II. wegen seiner politischen Tätigkeit vom Priesteramt.
Inzwischen ist der heute 93-jährige Cardenal einer der schärfsten Kritiker Ortegas und seiner Familie. Nicaragua sei zu einer Diktatur von Ortega, seiner Ehefrau und deren Kindern geworden, sagte er in einem Interview vor zwei Jahren. Bereits 1994 verließ Cardenal die Regierungspartei FSLN wegen Ortegas autokratischen Führungsstils.
Nach seiner Wiederwahl 2006 hatte Ortega dagegen versucht, sich der katholischen Kirche wohlgesinnt zu zeigen. So ist Nicaragua eines der wenigen Länder, in denen ein komplettes Abtreibungsverbot herrscht - das Gesetz wurde auch mit den Stimmen der Sandinisten verabschiedet.
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