Rettungseinsatz im Mittelmeer (Archivbild)
Frankfurt a.M. (epd). Das Rettungsschiff "Aquarius" mit 629 Flüchtlingen an Bord hat am Dienstag weiter auf eine Gelegenheit zum Anlegen gewartet. Bislang sei dem Schiff kein Hafen von den Seenot-Rettungsleitstellen in Rom und Madrid zugewiesen worden, teilte die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" mit, die die "Aquarius" zusammen mit SOS Mediterranée betreibt. Die italienischen Behörden wollten nun die Mehrheit der Geretteten auf italienischen Schiffen nach Spanien bringen.
Schiff zwischen Malta und Sizilien
Grund für das tagelange Debakel um einen Hafen für die "Aquarius" ist die Entscheidung der neuen italienischen Regierung, alle Häfen für Rettungsschiffe zu schließen. Spanien hatte am Montag angeboten, die "Aquarius" in Valencia anlegen zu lassen. Korsika stellte am Dienstag ebenfalls einen Hafen in Aussicht.
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) warnte vor weiteren Zurückweisungen von Rettungsschiffen im Mittelmeer. Eine große Tragödie für die verzweifelten Menschen an Bord wäre die Folge, erklärte IOM-Generaldirektor William Swing am Dienstag in Genf. Die Blockade habe keinen "abschreckenden" Effekt auf andere Menschen, die über das Mittelmeer die Staaten Europa erreichen wollten. Die EU müsse sichere und legale Wege für die Migration schaffen.
Am Dienstagmittag befand sich das Schiff laut "Ärzte ohne Grenzen" zwischen Malta und Sizilien. Eine mehrtägige Fahrt zu einem spanischen Hafen sei eine große Belastung für die Geretteten, hieß es. Auf dem Schiff befänden sich Geflohene, die am Wochenende vor der libyschen Küste gerettet worden seien, darunter sieben Schwangere, zahlreiche Kinder und Verletzte. "Das Schiff ist überfüllt, unsere Kapazitätsgrenze ist überschritten", erklärte der Projektleiter der medizinischen Hilfsorganisation, Aloys Vimard. Für die Geretteten sei es die bessere Option, sie an den nächsten sicheren Hafen und von dort aus nach Spanien oder in andere Länder zu bringen.
Der Präsident des korsischen Exekutivrates, Gilles Simeoni, erklärte auf Twitter, dass angesichts zuneige gehender Lebensmittel, schlechter Wetterbedingungen und der großen Distanz zu einem spanischen Hafen Korsika die "Aquarius" aufnehmen wolle.
Der italienische Innenminister und stellvertretende Ministerpräsident Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega hatte am Sonntagabend angekündigt, keine Flüchtlingsschiffe mehr in die Häfen seines Landes zu lassen. "Von heute an wird auch Italien Nein zum Menschenhandel, Nein zum Geschäft der illegalen Einwanderung sagen." EU, Bundesregierung und Menschenrechtler hatten die Beteiligten aufgerufen, eine schnellen Lösung zu finden und ihrer humanitären Pflicht nachzukommen. Zahlreiche italienische Bürgermeister hatten gegen Salvinis Entscheidung protestiert und ihre Häfen für die "Aquarius" angeboten. Rettungsschiffe müssen jedoch den Anweisungen der Seenot-Rettungsleitstelle in Rom befolgen.
EU zum Eingreifen aufgefordert
Der Geschäftsführer der Deutschen Sektion von "Ärzte ohne Grenzen", Florian Westphal, wies darauf hin, dass die Zahl der Flüchtlinge aus Libyen in den Sommermonaten weiter steigen werde. Mit der Sperrung der italienischen Seehäfen und dem wachsenden Druck auf die Seenotretter der Hilfsorganisationen werde bewusst in Kauf genommen, dass die Menschen im Mittelmeer ertrinken werden. "Die Frage ist, bedeutet das Internationale Seenotrecht, nachdem wir handeln, innerhalb der EU noch etwas, oder nicht?"
Der Sprecher der Rettungsorganisation Sea-Watch, Ruben Neugebauer, rief die EU zum Eingreifen auf. "Europa muss Verantwortung übernehmen, einen Verteilmechanismus einführen und Dublin aussetzen", forderte Neugebauer im WDR-Radio. Die Dublin-Regelungen, wonach das Land der Ersteinreise in die EU zuständig für die Flüchtlinge ist, sei der Grund für den Streit um die "Aquarius". Das Rettungsschiff der Organisation, die "Sea Watch 3", ist derzeit im Auftrag der italienischen Seenot-Rettungsleitstelle vor der libyschen Küste unterwegs.
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