Die Studie über Hilfestrategien in Situationen politischer Entfremdung hat mich wegen dieses Begriffs neugierig gemacht. Bei fast die Hälfte der Länder, die die Weltbank als fragil und konfliktgeplagt auflistet, sind danach die Beziehungen zwischen der nationalen Regierung und ihren wichtigsten Gebern von „politischer Entfremdung“ gekennzeichnet. „Entfremdungssituationen“ liegen laut der Studie von Chatham House vor, wo Regierungen verfassungswidrig die Macht ergriffen haben, von der Staatengemeinschaft mit Sanktionen belegt wurden, sich im Übergang zurück zu einer verfassungsmäßigen Ordnung befinden oder durch international umstrittene Wahlen ans Ruder gelangt sind.
Sehr viel Hilfe beruht auf dem Verhältnis der Geber zur Regierung des Partnerlandes. Was tun, wenn die zusammenbricht? Die Geber können einfach die Hilfe beenden. Es gibt aber gute Gründe der nationalen und kollektiven Sicherheit, der Geopolitik sowie der Ethik, das nicht zu tun, betonen die Autoren. Zwar könne Entwicklungshilfe keine Konflikte beenden, aber ihre Aussetzung könne eine ohnehin fragile Situation weiter verschärfen und überdies dazu beitragen, dass sich ein Konflikt auf Nachbarstaaten und -regionen ausweite.
Die Autoren räumen ein, dass in solchen Situationen kaum nachvollziehbar ist, ob Unterstützungsleistungen ihr Ziel erreichen, wer sie letztlich erhält und wie wirksam sie sind. Zudem machten sie ständige Anpassungen nötig, was nicht gerade eine Stärke der Hilfe-Industrie ist.
Problem gut erkannt, aber keine neuartigen Lösungsvorschläge
Dennoch hätten Geberländern eine Reihe Möglichkeiten, engagiert zu bleiben. Hier beginnt der enttäuschende Teil des Papiers. Danach können die Geber „im ganzen Nexus Nothilfe-Entwicklung-Frieden zusammenarbeiten“, um im Geberland die Unterstützung für die Hilfe zu erhalten. Sie sollten den Behörden und der Gesellschaft im Empfängerland ihre Erwartungen an die politische Führung deutlich machen; Vergabewege und Kontrollmechanismen entwickeln, die Hilfe wirksam machen; und ihre Programme rasch an neue Bedingungen anpassen.
Das klingt sehr nach „Business as Usual“. In der Liste möglicher Vorgehensweisen fehlen Ideen wie die, Nischen zu nutzen, in denen keine Entfremdung herrscht und zum Beispiel einzelne Ministerien und Lokalregierungen wirksam arbeiten. Man kann auch Institutionen suchen wie Glaubensgemeinschaften oder traditionelle Würdenträger, die von der Bevölkerung oftmals stärker akzeptiert werden als politische Machthaber. Das scheint vielversprechender als der Rat in der Studie, bloß über nichtstaatliche Organisationen zu helfen, die oft klein und unbedeutend sind. Unerwähnt bleibt auch die Möglichkeit, Individuen statt Projekte zu fördern, etwa mit Stipendienprogrammen. Es wäre interessant, diesen und weiteren Alternativen nachzugehen; was in diesem Papier steht, ist allzu konservativ.
Eine längere Version dieses Textes ist zuerst auf Englisch erschienen auf dem Blog von Duncan Green. Aus dem Englischen von Barbara Erbe.
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