In Laos sterben vergleichsweise viele Frauen bei der Geburt. Wie kommt das?
In den vergangenen 30 Jahren wurde bei der Müttersterblichkeit in Entwicklungsländern insgesamt enttäuschend wenig erreicht, weil man vorrangig auf den Ausbau der Basisgesundheitssysteme gesetzt hat. Die Ausbildung von Allgemeinärzten, Hebammen und Krankenschwestern wird noch immer sträflich vernachlässigt. Bis auf die Fachärzte erhalten alle diese Berufsgruppen nur eine 12- bis 14-wöchige Ausbildung, also 6 Wochen in Frauenheilkunde und maximal acht Wochen in Geburtshilfe. Es ist schlichtweg unmöglich, nach einer so kurzen Ausbildung eine gute medizinische Versorgung anzubieten. Zum Vergleich: In den Industrie- und Schwellenländer absolvieren Hebammen eine dreijährige Ausbildung. Fachärzte werden zwar in Entwicklungsländern in der Regel zwei bis drei Jahre ausgebildet. In dieser Zeit kann man viel lernen, aber nur, wenn man die richtigen Lehrmaterialien und gute Hochschullehrer hat. Fachärzte sind die wichtigsten Multiplikatoren für Wissen und Gesundheit, denn nur sie werden Hochschullehrer oder bilden an Provinzkrankenhäusern Ärzte, Schwestern und Hebammen der Distrikte weiter.
Warum wurde die Frauenheilkunde in Laos so vernachlässigt? Ist die Gesundheit von Frauen, die ja oft gesellschaftlich schlechter gestellt sind, weniger wichtig als die von Männern?
Im Fall von Laos glaube ich das nicht. Generell ist die Ausbildung von Ärzten in Entwicklungsländern bedauerlich schlecht. Als wir unsere Kooperation mit Laos 2002 begonnen haben, gab es weder Lehrbücher noch qualifizierte Hochschullehrer. In der Lehre fehlte das Qualitätsmanagement. Wenn jeder alle Prüfungen besteht, sind sie überflüssig. In Entwicklungsländern müssen eine Hebamme oder ein Arzt das gleiche Wissen haben wie in Deutschland oder den USA, auch wenn die Arbeitsmöglichkeiten vielleicht eingeschränkt sind. Denn wenn man keine ordentliche Diagnose stellen kann, behandelt man häufig nur die Symptome – mit fatalen Konsequenzen für die Mütter und ihre Kinder.
Was machen Sie anders?
Wir haben für die einzige Universität in Laos Lehrbücher und Unterrichtsmodule für die Facharztausbildung in Gynäkologie und Geburtshilfe entwickelt. Das ist in enger Kooperation mit den dortigen Hochschullehren geschehen, die auch mit uns gemeinsam unterrichten. Eine ähnliche Kooperation hatten wir zuvor mit Vietnam. Dort haben wir in den vergangenen 15 Jahren 1200 Fachärzte ausgebildet. Inzwischen haben die dortigen Kollegen die Ausbildung komplett übernommen, und ab 2012 wird das auch in Laos der Fall sein.
In Afrika wandern Ärzte häufig ins Ausland aus, weil sie dort mehr verdienen können. Wie schaffen Sie es, die Leute in Laos zu halten?
Sie erhalten ein Facharztzertifikat, das nur in Laos gültig ist. Ich glaube, diese Einschränkung ist notwendig und richtig. Wir bilden überwiegend junge Ärztinnen, aber auch Ärzte aus, die aus den Provinzen in die Hauptstadt kommen. Sie gehen danach wieder zu ihren Familien zurück. In Laos haben wir die ersten Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe überhaupt ausgebildet; das sind mittlerweile etwa 40, die bereits an den Kliniken der 17 Provinzen arbeiten und lehren.
Können sie dort überhaupt arbeiten? Welche Bedingungen finden sie vor?
Die technischen Geräte für die Diagnostik wie Mikroskop, Kolposkop, Instrumente und Ultraschall müssen erst einmal angeschafft werden. Pro Klinik kostet das etwa 30.000 US-Dollar. 20 Prozent davon finanziert das Krankenhaus, den Rest trägt unser Projekt, an dem das Land Baden-Württemberg und die Else Kröner-Fresenius-Stiftung beteiligt sind. In den Distrikten ist die Lage ungleich schwieriger. In mehr als 60 Prozent der dortigen Kliniken kann beispielsweise kein Kaiserschnitt gemacht werden, weil die Kenntnisse und die Ausrüstung dafür fehlen. Und das nach 30 Jahren internationaler Entwicklungshilfe. Das ist erschreckend.
Offenbar hat aber auch die Regierung versagt.
Ja, schlechtes Gesundheitsmanagement ist sicher ein Hauptgrund. Wir arbeiten sehr eng mit dem laotischen Gesundheitsministerium zusammen; unser Projekt genießt dort hohe Priorität. Die werden zwar sicher nicht erreicht, aber wir machen Fortschritte. Die Müttersterblichkeit hat sich seit 2002 von mehr als 600 Todesfällen pro 100.000 Geburten auf heute etwa 430 verringert und wird in diesem Jahr voraussichtlich unter 400 sinken. Außerdem ist die Zahl der Geburten, die in den Provinzkrankenhäusern betreut werden, um das Dreifache gestiegen. Die Bevölkerung fasst also Vertrauen zu den neu ausgebildeten Ärzten.
Das Gespräch führte Gesine Wolfinger.