Porträt einer schwierigen Zusammenarbeit

Midwives. Myanmar/Kanada/Deutschland 2022, Regie: Snow Hnin Ei Hlaing, 92 Minuten, Vertrieb: EZEF

Die Dokumentarfilmerin Snow Hnin Ei Hlaing begleitet eine buddhistische Hebamme und ihre muslimische Auszubildende vom Volk der Rohingya, die trotz religiöser und ethnischer Spannungen sowie Kämpfe im Bundesstaat Rakhaing im Westen Myanmars kooperieren.

Der erste lange Dokumentarfilm der Regisseurin Snow Hnin Ei Hlaing ist ein sehr persönliches und mutiges Werk. Sie selbst wurde im Bundesstaat Rakhaing geboren und hat in Myanmar und Deutschland Film studiert. Für ihre Dokumentation kehrte sie in ihre Heimatregion zurück und drehte über einen Zeitraum von sechs Jahren hinweg ohne Drehgenehmigung. Für die Aufnahmen in einem Dorf mussten sie und ihr Kameramann häufig eine Route vorbei an benachbarten Gefechten und Kontrollpunkten des Militärs nutzen. Der letzte Drehblock fand nach dem Militärputsch von 2021 statt. 

Im Zentrum der Beobachtungen stehen zwei Frauen. Die erfahrene buddhistische Hebamme Hla betreibt in ihrem Dorf eine kleine Krankenstation, in der sie trotz eindringlicher Warnungen der Machthaber auch Angehörige der verfolgten muslimischen Minderheit der Rohingya versorgt. Hla bildet die junge Rohingya Nyo Nyo zur Hebamme aus, die im Gegenzug als Dolmetscherin bei hilfesuchenden Muslimen aushilft. Obwohl die Familie von Nyo Nyo seit Generationen in Rakhaing lebt, werden sie, ihr Mann und beide Söhne als Eindringlinge betrachtet. 

Die freundschaftlich-kollegiale Beziehung zwischen Hla und Nyo Nyo, die oft in Nahaufnahmen zu sehen sind, ist auch spannungsreich. Hla führt in der Miniklinik ein strenges Regiment und schreckt nicht vor drastischen Worten zurück, um Nyo zu maßregeln. Die junge Muslima erträgt die Schelte, weil sie ihrer unterdrückten Volksgruppe helfen möchte. Nyo Nyo träumt davon, zu ihrer Schwester nach Rangun zu ziehen. Doch dann wird sie erneut schwanger. Als die Behörden wegen Unruhen die Klinik schließen, müssen beide improvisieren. Nyo gründet eine eigene kleine Gesundheitsstation, was Hla zu rassistischen Kommentaren verleitet. Trotz Gewalt und Mangelwirtschaft erleben beide immer wieder auch glückliche Momente, wenn sie einem Kind auf die Welt helfen können. 

Sorgfältig eingebettete Handlung 

Der mehrfach preisgekrönte Film bettet das feminine Doppelporträt sorgfältig in den politischen und sozialen Kontext ein. Zu Beginn skizzieren Inserts die Vorgeschichte der Unterdrückung: 2016 begann das Militär einen Feldzug gegen die Minderheit der Rohingya, zündete Dörfer an und tötete Zehntausende Zivilisten. Fast eine Million Rohingya flohen ins Ausland und leben zumeist in Lagern im benachbarten Bangladesch. Aus Dialogen erfährt man, dass der Staat den Rohingya bereits 1982 zentrale Rechte entzogen hat: Sie dürfen seitdem nicht wählen, ihre Kinder nicht zu staatlichen Schulen schicken und brauchen Visa, um zu reisen. Mehrmals werden TV-Bilder von Protestmärschen gezeigt, auf denen wütende buddhistische Bamar die Rohingya als „illegale Einwanderer“ und „muslimische Terroristen“ beschimpfen. 

Wiederholt sehen wir am Horizont Explosionen, hören Schüsse und vorbeidonnernde Kampfjets, die von Gefechten zwischen Armee und (Rohingya?)Aufständischen zeugen. TV-Ausschnitte zeigen den Putsch des Militärs unter General Min Aung Hlaing im Februar 2021, der die scheindemokratische Phase während der Regierung der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi beendete. Bei landesweiten Protesten wurden laut Abspann 1300 unbewaffnete Demonstranten getötet und 11.000 Menschen festgenommen.

Für Momente des Innehaltens sorgen Szenen, in denen der Blick der Kamera zu weiten Reisfeldern und Tempelbergen schweift, die aus Nebelschwaden herausragen, oder auch zur Familie Nyos und spielenden Kindern. Nicht zuletzt ist „Midwives“ auch ein Mutmacherfilm: Indem die hartnäckigen Pro­ta­gonistinnen trotz der anhaltenden Unterdrückung an der interkulturellen Zusammenarbeit festhalten, setzen sie Signale der Hoffnung. 
 

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