Genf, Kinshasa (epd). Es hätte ein historischer Aufbruch sein können: Erstmals seit der Unabhängigkeit 1960 hat in der Demokratischen Republik Kongo ein Kandidat der Opposition die Präsidentenwahl für sich entschieden. Die Wahlkommission erklärte am Donnerstag Félix Tshisekedi mit 38,57 Prozent der Stimmen zum Sieger der Abstimmung vom 30. Dezember. Martin Fayulu, ebenfalls Kandidat der Opposition, errang mit 34,8 Prozent den 2. Platz. Doch nicht nur Fayulu selbst zweifelt das Ergebnis an, auch die katholische Bischofskonferenz mit ihren 40.000 Wahlbeobachtern hat einen anderen Sieger ermittelt.
Damit wächst die Angst vor gewaltsamen Unruhen in dem Land von der Größe Mitteleuropas. In der Provinzhauptstadt Kikwit erschossen Polizisten nach Berichten des französischen Auslandssender RFI mindestens zwei randalierende Anhänger Fayulus. In der Hauptstadt Kinshasa prallten Anhänger beider Oppositionsparteien aufeinander, auch aus Kisangani werden Unruhen gemeldet. In den Hochburgen Tshisekedis wurde dagegen gefeiert.
Land ist gespalten
Das Land ist gespalten. Die Bischofskonferenz rief die Anhänger aller Parteien auf, Ruhe zu bewahren und auf Gewalt zu verzichten. Jeder zweite Kongolese ist Katholik, ob die Macht der Kirchenführer ausreicht, ist dennoch ungewiss.
Verdächtig ist vielen Kongolesen, dass Tshisekedi und das Lager des nach 18 Jahren aus dem Amt scheidenden Präsidenten Joseph Kabila am Donnerstag auffällig versöhnliche Töne anschlugen. Ein Sprecher des drittplatzierten Kandidaten der Regierungspartei FCC, Ramazani Shadary, hatte am Morgen die Niederlage eingeräumt und angekündigt, man werde den historischen Machtwechsel unterstützen. Erst später kündigte FCC-Sprecher Lambert Mende an, seine Partei, die auf 23,8 Prozent kam, werde das Ergebnis womöglich anfechten.
Tshisekedi lobte Kabila
Tshisekedi lobte in seiner ersten Rede den zuletzt zunehmend autoritär regierenden Kabila als Partner für den demokratischen Wandel und rief dazu auf, ihn nicht länger als Feind zu betrachten. Auch das nährte Gerüchte, wonach Tshisekedi und Kabila sich auf das Ergebnis geeinigt haben sollen. Tshisekedis Partei UDPS hatte am Dienstag Gespräche mit der Regierung über einen geregelten Übergang eingeräumt, als das Ergebnis noch nicht offiziell bekannt war. Bei den Gesprächen ging es womöglich um die Zukunft Kabilas, dem Korruption und Menschenrechtsverstöße vorgeworfen werden.
Wahlverlierer Fayulu gab sich kämpferisch und entschlossen. Es handle sich um einen Putsch an den Urnen. Die umstrittenen Computer zur Stimmabgabe seien frisiert, USB-Sticks mit den angeblichen Ergebnissen gefälscht worden. Er forderte eine Nachzählung der Ergebnisse in jedem einzelnen Wahllokal.
Zehn Tage Zeit, um Einspruch einzulegen
Nach kongolesischem Recht haben alle Kandidaten zehn Tage Zeit, vor dem Verfassungsgericht Einspruch gegen das Ergebnis einzulegen. Die Richter verkünden in spätestens zwei Wochen das Endergebnis.
Zurückhaltend fielen am Donnerstag auch die internationalen Reaktionen aus. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der im Nachbarland Sambia auf seinen Rückflug nach Deutschland wartete, rief zu Ruhe und Besonnenheit auf. Frieden und ein friedlicher Übergang stünden über allem. Die EU rief ebenso wie die Afrikanische Union dazu auf, die Streitigkeiten über das Wahlergebnis gewaltlos beizulegen. UN-Generalsekretär António Guterres appellierte an alle Beteiligten, ihrer Verantwortung für die Stabilität des Landes nachzukommen.
Sollte das nicht gelingen, befürchten Menschenrechtler eine Massenflucht. Seit Dezember hätten bereits mehr als 20.000 Menschen den Kongo verlassen, sagte die Regionaldirektorin von Amnesty International für Ostafrika, Joan Nyanyuki. Sie befürchte, die Polizei werde Demonstrationen gewaltsam niederschlagen und damit eine Menschenrechtskrise auslösen. Der Regierung Kabila war schon im Wahlkampf massive Gewaltanwendung vorgeworfen worden. Nach den Wahlen hatte sie für mehr als eine Woche das Internet abgestellt.
Ergebnis könnte noch gekippt werden
Félix Tshisekedi, Sohn eines der prominentesten Oppositionellen, und den ehemaligen Öl-Manager Martin Fayulu trennen nach dem vorläufigen Endergebnis gut 600.000 Stimmen. Dieses Ergebnis könnten die Wähler in einem von Bürgerkrieg und Ebola erschütterten Landstrich noch kippen. In den Städten Beni, Butembo und Yumbi werden die Wahlen erst im März nachgeholt, 1,2 Millionen Wähler sind dort registriert. Die Wahlbeteiligung dürfte dann höher sein als die 47,46 Prozent im Rest des Landes. Doch eigentlich soll der neue Präsident vorher vereidigt werden.
Insgesamt waren rund 40 Millionen Kongolesen zu der mehrfach verschobenen Wahl aufgerufen. Zu der Wahl für das Präsidentenamt waren insgesamt 21 Kandidaten zugelassen. Außerdem wurden ein neues Parlament und regionale Vertretungen gewählt.
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