Migration als globales Phänomen

epd-bild/Wolf-Dieter Vogel
Flüchtlinge aus Mittelamerika in der Grenzstadt Tijuana in Mexiko
Der umstrittene UN-Pakt soll internationale Mobilität besser managen
Von IT-Spezialisten bis zu Pflegekräften: Weltweit verlassen Männer und Frauen ihre Heimat, um ein besseres Leben zu finden. Die meisten UN-Staaten wollen Prinzipien für eine sichere, geordnete, reguläre Migration vereinbaren - Grenzschutz inklusive.

Genf (epd). Wenn es nach der UN-Sonderbeauftragten Louise Arbour geht, wird die Verabschiedung des Globalen Migrationspakts am Montag ganz schnell gehen. Sie hoffe auf eine Bestätigung per Akklamation, sagte die Kanadierin kürzlich in New York. "Regierungen, die kritische Anmerkungen haben, können diese in der Aussprache äußern: Das wäre auch hilfreich, denn derzeit ist unklar, welche Sorgen genau die Kritiker eigentlich haben." Unklar war unmittelbar vor dem Gipfel in Marrakesch auch, wie viele Staaten den Pakt ablehnen werden. Klar ist nur: Eine große Mehrheit - über 180 der 193 UN-Mitgliedsländer - steht hinter ihm.

Am 13. Juli in New York schien es noch so, als sei die Verabschiedung eine reine Formalität. Da wurde unter anhaltendem Applaus das Ende der Verhandlungen über den "Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration" gefeiert. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte hatten die UN eine globale Verständigung in Sachen Migration erreicht. Basis war eine im September 2016 von der UN-Vollversammlung verabschiedete Resolution, an den sechsmonatigen Schlussverhandlungen nahmen alle UN-Mitgliedsstaaten außer den USA teil. Nach Marrakesch soll die UN-Vollversammlung den Pakt endgültig bestätigen.

Völkerrechtlich bindend wird er auch dann nicht sein. Der Migrationspakt zählt zum sogenannten Soft Law, dem "weichen Recht", das alleine auf politische Verbindlichkeit setzt. "Wenn man einen Vergleich ziehen will, dann ist der Migrationspakt von der rechtlichen Stellung her den 2015 beschlossenen Nachhaltigkeitszielen am ähnlichsten", erklärt Arbour. Auch die seien nicht mehr als ein Handlungsrahmen, der dennoch die Entwicklungspolitik weltweit beeinflusst habe. "Nichts in diesem Pakt beeinträchtigt die staatliche Souveränität, im Gegenteil: Der Pakt bekräftigt das Recht und die Pflicht von Staaten, ihr Territorium und ihre Grenzen zu kontrollieren."

Geld in die alte Heimat überweisen

So steht es auch in der Präambel des Migrationspakts. Dort heißt es: "Der Globale Pakt bekräftigt das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen, sowie ihr Vorrecht, die Migration innerhalb ihres Hoheitsbereichs in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln." Trotzdem warnt der ungarische Außenminister Péter Szijjártó, der Migrationspakt sei gefährlich und werde "neue massive, illegale Fluchtwellen" auslösen. Den Grund für solche Kritik sieht Mélanie Kolbe, Junior-Professorin am Graduate Institute der Universität Genf, darin, dass der Pakt Migration als Tatsache beschreibt, die vor eines allem besseren Managements bedarf.

"Das ist grundsätzlich eine ganz andere Ansicht als die mancher Gegner, die der Meinung sind, eigentlich möchten wir gar keine Migration, und deshalb gibt es auch gar kein Interesse an Regulierung", erklärt Kolbe. Dabei besteht kein Zweifel daran, dass Migration ein globales Phänomen ist. Rund 277 Millionen Menschen weltweit suchen jenseits ihrer Heimatländer ein besseres Leben, unter ihnen drei Millionen Deutsche. Bessere Möglichkeiten, Geld in die alte Heimat zu überweisen, sollen ihnen ebenso helfen wie die Gewährung von Grundleistungen oder Rechtssicherheit.

Rein freiwillig

Insgesamt 23 im Migrationspakt verankerte Ziele sollen ein besseres globales Management von Migration ermöglichen. Zu ihnen gehören die Beseitigung von Fluchtursachen, integriertes Grenzmanagement, die Bekämpfung von Schleusern und Menschenhandel sowie eine bessere Zusammenarbeit bei der Rückkehr in Heimatländer. Von Gegnern des Pakts besonders kritisiert wird das Ziel, das neue Wege für eine reguläre Migration öffnen soll. Das könnte so ablaufen: Wenn in der EU etwa Pflegekräfte in den kommenden 15 Jahren absehbar fehlten, könnten Programme mit Entwicklungsländern vereinbart werden, damit diese Pfleger und nicht Automechaniker ausbilden. Das wäre wohlgemerkt rein freiwillig.

Cecilia Cannon, die am Genfer Global Governance Centre forscht, geht das nicht weit genug. Überhaupt bemängelt die Australierin, dass durch die Kritik von rechts der Eindruck entstanden sei, der Migrationspakt sei zu liberal. Das Gegenteil sei richtig: "Die Hardliner haben sich durchgesetzt." So zeige sich spätestens bei der Finanzierung, wie einseitig der Schwerpunkt bei Grenzsicherung und Inhaftierung liege. Alleine die EU will ihre Ausgaben für die Sicherung der Außengrenzen in der kommenden Haushaltsperiode auf 34,9 Milliarden Euro verdreifachen. Für die Umsetzung des Migrationspakts sind dagegen rein freiwillige Leistungen vorgesehen.

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