Dubai, Kabul (epd). Zwei Tage lang tobten am Wochenende in Kabul ethnische Proteste. Die gewaltsamen Ausschreitungen zeigten erneut, wie instabil die Situation in Afghanistan ist. Hunderte wütende Demonstranten veranstalteten Straßenkämpfe in der Hauptstadt, um gegen die Festnahme von Ibrahim Alipoor, einem Milizenführer, zu protestieren. "Alipoor ist unschuldig", riefen sie.
Alipoor wird vorgeworfen wird, 17 Polizisten umgebracht zu haben. Von seinen Anhängern respektvoll "Commander Schamschir” (Kommandant Schwert) genant, zeigt sich Alipoor gern mit modischer Sonnenbrille und Maschinengewehr. Der etwa 40-Jährige kommandiert eine private Anti-Taliban-Armee von etwa 350 Mann, die in den Unruhe-Provinzen Ghor, Wardak und Daikundi operiert. Alipoor erhält vor allem Unterstützung von der schiitischen Bevölkerungsgruppe der Hasara, der er selbst angehört. Die Hasara wurden zuletzt oft das Ziel blutiger Terroranschläge. Sie sind die drittstärkste ethnische Gruppe in Afghanistan.
Alipoor bestreitet, etwas mit dem Tod der 17 Polizisten in der Provinz Farah zu tun zu haben. "Ich muss sagen, es operieren 21 Terrororganisationen in Afghanistan, einschließlich der Taliban und der Hakkani-Gruppe. Die alle wollen unser Volk umbringen", erklärt Alipoor trotzig. Die Hakkani-Miliz hat sich mit den radikal-islamischen Taliban verbündet.
Afghanisches Parlament ist gespalten
Auch das afghanische Parlament ist gespalten, wenn es um den Milizenführer Alipoor geht. Manche Abgeordnete glauben, dass seine Inhaftierung ein Friedenssignal an die aufständischen Taliban ist. "Unsere Regierung bettelt bei den Taliban um Frieden und nimmt diejenigen fest, die gegen die Taliban kämpfen", schimpft der Abgeordnete Baschir Ahmad Tajjani. Am Montagabend ließ die Regierung dann Alipoor wieder frei. Bereits im Juni hatte die Polizei ihn festnehmen wollen und war am Widerstand seiner Anhänger gescheitert. Elf Menschen kamen bei den Protesten ums Leben.
17 Jahre nach dem Sturz der Taliban verschlechtert sich die Sicherheitslage in Afghanistan weiter. Kaum ein Tag vergeht ohne einen größeren Anschlag. Es sind nicht alleine die Taliban, auch die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS), die sich in Afghanistan Daesch nennt, verübt regelmäßig Attentate. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden in Afghanistan in den ersten neun Monaten des Jahres 2.798 Zivilisten bei Kriegshandlungen getötet and 5.252 verletzt.
Bei den chaotischen Parlamentswahlen am 20. Oktober gab es allein am Wahltag 200 Anschläge, bei denen Dutzende Menschen ums Leben kamen. Die Ergebnisse des Urnengangs stehen noch aus, doch die Furcht wächst, dass die Resultate erneut wegen Wahlbetrugs und Stimmfälschung in Zweifel gezogen werden. Inzwischen gilt auch als wahrscheinlich, dass die für April 2019 angesetzte Präsidentenwahl verschoben wird.
Kaum Ruhe am Hindukusch
Der Sturz des Taliban-Regimes durch die US-Invasion 2001 beendete zwar die islamische Schreckensherrschaft, doch zu dem Aufbau eines sicheren Staates kam es nicht. Durch die neue gewählte Regierung kamen vielmehr Kriegsherren, Milizenführer und korrupte Politiker an die Macht. Das Ende der Nato-Kampfmission im Dezember 2014 markierte den Rückzug der internationalen Gemeinschaft in dem Konflikt. Zwar haben die USA immer noch rund 14.000 Soldaten in Afghanistan stationiert, und auch die Bundeswehr unterhält noch ein Kontingent von knapp 1.300 Kräften, doch angesichts der erstarkenden Aufständischen ist damit kein Staat zu machen.
Unter Präsident Donald Trump hat sich auch die Einstellung der USA zu Afghanistan deutlich verändert. Washington hofft auf einen Friedensschluss mit den Aufständischen, um das unrühmliche Kapitel zu beenden. Es gibt inzwischen auch direkte Verhandlungen zwischen den USA und den Taliban, ohne dass die afghanische Regierung involviert ist.
Doch selbst wenn ein Friedensschluss erreicht wird, wird dies kaum Ruhe am Hindukusch bringen. Neben den Taliban operiert mehr als ein Dutzend anderer Terrororganisationen am Hindukusch. Dazu kommen noch die ungelösten ethnischen und religiösen Konflikte und der Kampf zwischen mächtigen Regionalfürsten, die eigene Milizen haben und sich nur um das Recht scheren, das sie selbst gesetzt haben.
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