Dubai, Islamabad (epd). In einer bahnbrechenden Entscheidung hat das Oberste Gericht Pakistans das Todesurteil gegen die wegen Blasphemie zum Tode verurteilte Christin Asia Bibi aufgehoben. Die Richter in Islamabad ordneten am Mittwoch laut Medienberichten zudem die sofortige Freilassung Bibis an und sandten damit ein klares Signal an religiöse Hardliner. Die fünffache Mutter war 2009 nach einem Dorfstreit um ein Glas Wasser wegen Gotteslästerung angezeigt worden, ein Gericht verurteilte sie 2010 zum Tode. Nach dem Freispruch am Mittwoch kam es im ganzen Land zu Protesten, angeheizt von Islamisten.
In den Provinzen Punjab und Sindh wurde ein Versammlungsverbot verhängt, in der ostpakistanischen Metropole Lahore sicherte die Armee das Provinzparlament und schützte das christliche Viertel Youhanabad. In der Hauptstadt Islamabad waren paramilitärische Kräfte im Einsatz, um Ausschreitungen zu verhindern und das Oberste Gericht abzuriegeln. Demonstranten hatten zuvor wichtige Straßen besetzt. Islamisten drohten zudem den verantwortlichen Richtern mit dem Tode und forderten den Rücktritt der Regierung von Ministerpräsident Imran Khan.
Gerechtigkeit habe gesiegt
Der Fall Asia Bibi hatte in den vergangenen Jahren immer wieder zu Spannungen und auch Gewalt geführt. Ein Jahr nach dem Todesurteil wurde der Gouverneur der Punjab-Provinz, Salman Tasir, von seinem eigenen Bodyguard umgebracht, weil er sich für die Freilassung der Christin eingesetzt hatte. Das Oberste Gericht hatte bereits 2016 den Fall erörtern wollen, doch weil einer der Richter es wegen Befangenheit ablehnte, den Fall zu hören, mussten ein neues Richtergremium eingesetzt werden. Anwälte und Richter, die mit Blasphemie-Fällen befassten, müssen in Pakistan um ihr Leben bangen. Bibis Familie hatte vor dem Urteil erklärt, dass es sehr schwierig sein würde, in Pakistan zu bleiben, sollte Bibi freigelassen werden.
International wurde die Aufhebung des Todesurteils begrüßt. Amnesty International sprach von einem "bahnbrechenden Urteil". "Die Gerechtigkeit hat glücklicherweise gesiegt", erklärte der stellvertretende Südasien-Direktor Omar Waraich. Das Blasphemie-Gesetz Pakistans dürfe nicht länger dafür herhalten, religiöse Minderheiten zu verfolgen. Der Präsident des katholischen Hilfswerks Aachen, Klaus Krämer, betonte, angesichts des öffentlichen Druckes islamistischer Fundamentalisten und der Androhung von Gewalt sei die Richterentscheidung auch ein Zeichen dafür, "dass der Rechtsstaat in Pakistan funktioniert".
Drakonisches Blasphemie-Gesetz
In der Begründung der Entscheidung vom Mittwoch erklärte Richter Mian Nisar, die Anklage habe nicht zweifelsfrei nachweisen können, dass Bibi die ihr vorgeworfene Tat begangen habe. Nisar beendete seine Darlegung mit Worten des Propheten Mohammed zu den Rechten religiösen Minderheiten.
Pakistans drakonisches Blasphemie-Gesetz sieht bei Gotteslästerung unter anderem die Todesstrafe vor. Das islamische Land hat bislang jedoch noch niemanden wegen Blasphemie hingerichtet. Allerdings bedeutet bereits der Vorwurf der Gotteslästerung Lebensgefahr. Immer wieder kommt es in solchen Fällen zu Lynchjustiz und Rachemorden.
In Pakistan sitzen derzeit knapp 20 Menschen wegen Blasphemie in Todeszellen. Alle Versuche, das Blasphemie-Gesetz zu ändern, scheiterten stets am Widerstand der Hardliner.
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