Eines der wenigen konkreten Ergebnisse des Gipfels ist der sogenannte „Grand Bargain“. Was sind für Sie dabei die wichtigsten Punkte?
Es geht darum, die Nothilfe effizienter zu gestalten. Dazu gehört etwa, dass die Geber und Organisationen mehr Transparenz schaffen, Anträge auf Förderung mit weniger bürokratischem Aufwand gestellt werden können und Projekte für einen längeren Zeitraum bewilligt werden. Die Absichtserklärung sieht auch vor, dass der Anteil der Mittel, die nicht zweckgebunden sind, deutlich erhöht wird. Das würde uns mehr Flexibilität geben, wenn wir freier über die Verwendung bestimmen könnten, und nicht alle sechs Monate neue Mittel beantragen müssen. Stattdessen können wir uns dann besser auf die Arbeit vor Ort konzentrieren.
Hat der Gipfel weitere Impulse setzen können?
Ein wichtiges Thema war die Inklusion der Schwächsten in der humanitären Hilfe, also von Frauen, Menschen mit Behinderung und alten Menschen. Wichtig ist auch, dass wir schon möglichst früh in einer Krise mit den Betroffenen sprechen und die Hilfe entlang ihrer Prioritäten ausrichten. Eine wichtige Frage war auch, wie lokale Partner stärker beteiligt werden können.
Ein großer Deal?
Der „Grand Bargain“ ist eine Absichtserklärung, die eine Reihe von Vorschlägen zur Reform der humanitären Hilfe enthält. Diese zielen in erster Linie darauf ab, die Finanzierung der ...
Eigentlich eine alte Forderung.
Ja, aber es gibt noch viel Luft nach oben. Wir NGOs müssen mehr tun und uns fragen, ob wir die lokalen Partner als Dienstleister verstehen oder als gleichberechtigte Partner, die eigene Vorstellungen einbringen. In der Absichtserklärung heißt es, dass bis 2020 mindestens ein Viertel der Nothilfe an lokale Organisationen geht und die Ländertöpfe stärker aufgefüllt werden. Der „Grand Bargain“ setzt hier also durchaus neue Akzente.
Wer soll sicherstellen, dass diese Ziele auch erreicht werden?
Das ist noch offen und muss in den kommenden Monaten bis zur Vollversammlung der Vereinten Nationen im Herbst diskutiert werden. Das alles ist noch nicht institutionell verankert.
Was bringen solche Reformen, wenn Kriegsparteien in Syrien den Zugang zu Hilfsbedürftigen verweigern oder ungestraft gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen und selbst Krankenhäuser bombardieren?
Das ist sicher ein Problem. Bei der Durchsetzung des humanitären Völkerrechts konnte der Gipfel keine Verbesserung bringen, damit war aber auch nicht zu rechnen.
Ist das Ganze also doch eher eine Scheinveranstaltung, wie andere Organisationen im Vorfeld kritisiert haben? Die weltpolitisch entscheidenden Kräfte wie USA und Russland waren politisch auf dem Gipfel nicht vertreten.
Soweit würde ich nicht gehen. Aber Kritik ist sicher berechtigt. Der Gipfel hat nicht dazu beigetragen, die Ursachen der Krisen zu beseitigen. Aber man muss auch pragmatisch sein und schauen, wie sich die Hilfe für die Betroffenen mit den begrenzten Mitteln verbessern lässt. Und da hat das Treffen und die gesamte Vorbereitung schon einiges bewirkt. Es ist vor allem erstmals ein richtiger Dialog zwischen allen Beteiligten entstanden. Auf dem Gipfel sind von Gebern über private Unternehmen bis hin zu Vertretern lokaler Initiativen und Diaspora-Organisationen alle etwas näher zusammen gerückt.
Inez Kipfer-Didavi ist Policy-Beraterin der Johanniter-Auslandshilfe und seit Anfang des Jahres im Vorstand des entwicklungspolitischen Dachverbands VENRO.
Das Gespräch führte Sebastian Drescher.
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