Moderne Hybris

Taming the Garden – Die Zähmung der Bäume. Schweiz, Deutschland, Georgien 2021, Regie: Salomé Jashi, 92 Minuten, Start: 2. 12. 2021

Ein georgischer Milliardär lässt in ärmlichen Regionen riesige Bäume ausgraben und über das Schwarze Meer in seinen Privatgarten bringen. Die georgische Dokumentarfilmerin Salomé Jashi schildert diese moderne Hybris in langen meditativen Bildfolgen. 

Es ist ein faszinierendes Bild von urwüchsiger Kraft: Ein Lastkahn fährt einen riesigen Baum über das Meer. Man fragt sich sofort: Wo kommt er her und wo fährt er hin? Und warum? Damit beginnt der Dokumentarfilm „Taming the Garden – Die Zähmung der Bäume“ der georgischen Regisseurin Salomé Jashi, der auf dem Sundance-Filmfestival uraufgeführt und danach im Forum der Berlinale gezeigt wurde. 

Was es mit dem Baum auf sich hat, enthüllt der kontemplative Dokumentarfilm, der auf konventionelle Kommentare aus dem Off verzichtet, erst nach und nach. Der georgische Oligarch Bidsina Iwanischwili stattet sein riesiges Anwesen am Schwarzen Meer mit hundertjährigen Bäumen aus, von denen manche so hoch sind wie 15-stöckige Gebäude. Der 1956 geborene Ex-Regierungschef kauft sie in Gemeinden der Küstenregion Georgiens auf und lässt sie von Arbeitern in aufwendigen Prozeduren aus Gärten und Wiesen ausgraben. Dann werden die Bäume samt ihren gigantischen Wurzelballen auf zwei aneinandergehängte Lastwagen verladen und an die Küste befördert. Manchmal müssen andere Bäume gefällt werden, um genügend Platz für den Abtransport zu schaffen, manchmal müssen dafür neue Straßen gebaut werden, die auch mal durch eine Mandarinenplantage führen. Eine Fähre transportiert die Giganten schließlich zum Garten Eden des Unternehmers, der hinter einem Hochsicherheitszaun verborgen liegt. 

Die Autorin und Regisseurin Salomé Jashi, die 1981 in Tiflis geboren wurde und heute in ihrer Heimatstadt und in Berlin lebt, arbeitete jahrelang als TV-Reporterin, ehe sie mehrere Dokumentarfilme drehte, darunter den internationalen Festivalhit „The Dazzling Light of Sunset“ (2016). Für ihr jüngstes Werk drehte Jashi in zwei Jahren rund 40 Tage mit ihrem Team und filmte etwa 30 weitere Tage allein. 

Selbstherrliche Machtdemonstration eines Superreichen

Die Geschichte der reisenden Baumriesen mutet nicht nur visuell fast surreal an, sie offenbart auch viel über den rücksichtslosen Raubbau an der Natur und über die sozioökonomischen Widersprüche in Georgien. Dazu gehört das starke Arm-Reich-Gefälle in der Kaukasusrepublik, aber auch der Sachverhalt, dass ein mächtiger Superreicher hier offenbar schalten und walten kann, wie er will. 

Von elegischen Klängen und Chorgesängen begleitet, nimmt sich der poetische Filmessay viel Zeit für seine Beobachtungen. Er lässt damit auch den Zuschauern viel Zeit zum Nachdenken über das gestörte Verhältnis zwischen Mensch und Umwelt, über eine selbstherrliche Machtdemonstration und Entwurzelung, die nicht auf den physischen Prozess beschränkt bleibt, aber auch über die erhabene Schönheit eines gepflegten Gartens. 

Auf die Baumausgrabungen reagieren die Anwohner zwiespältig: Während die einen dem Ansinnen des Milliardärs nachgeben, weil sie das Geld gut brauchen können und neue Straßen begrüßen, trauern die anderen dem Verlust der Bäume nach, die sie von ihren Vorfahren geerbt haben. Einmal folgen etliche Dorfbewohner wie in einer Prozession dem Transporter mit dem entwurzelten Baum. 

Reizvoll ist insbesondere, dass die majestätischen Bäume die Zuschauer gleichsam von den Besitzern über Anwohner, Ingenieure und Arbeiter zu einer Leerstelle führen. Denn der Milliardär und Ex-Premierminister ist zwar unterschwellig stets präsent, tritt im Film aber nicht auf und avanciert so zu einer gottgleichen mythischen Figur. Jedenfalls hat er einen paradiesischen Garten geschaffen, mit Bambuskolonie, Flamingoteich und Sprinkleranlagen. Rund 200 Bäume hat er dort zusammengetragen. Allerdings sind unterwegs viele der ausgegrabenen Exemplare eingegangen. Für ihn sicher ein Kollateralschaden, der zu verschmerzen ist.

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