Die Autoren des Sammelbandes betrachten Wege und Möglichkeiten, mit Gewaltexzessen in der lateinamerikanischen Politik umzugehen. Und sie prangern deutsche Waffenexporte an.
Das Verschwinden oder vielmehr Verschwindenlassen von 43 Lehramtsstudenten in Ayotzinapa im September 2014 hat die weltweite Aufmerksamkeit auf die Verstrickung von Polizei, Politik und organisiertem Verbrechen in Mexiko gelenkt. Was mit den unglücklichen Studenten passiert ist, die zu einer Demonstration unterwegs waren, ist bis heute ungeklärt. Sicher ist, dass sie von der Polizei aufgehalten wurden. Nach offiziellen Darstellungen wurden sie einer Drogenbande übergeben, die sie massakrierte und verbrannte. Der Bürgermeister der Kreisstadt Iguala und seine Frau sind auf der Flucht. Präsident Enrique Pena Nieto verspricht Aufklärung, übernimmt aber keinerlei politische Verantwortung für ein System von Korruption und Gewalt, das ihm schwerlich verborgen geblieben sein kann.
Die Ereignisse von Ayotzinapa gaben den Anstoß für dieses Buch, das sich als Nachfolgeband der 2012 erschienenen NarcoZones versteht. Während sich NarcoZones mit Logik, Routen und Räumen der kriminellen Ökonomien in Lateinamerika auseinandersetzt, geht es bei TerrorZones um die Politik des Terrors. Die Autoren zeigen, dass Gewaltexzesse nicht als „das irrationale Gegenstück zu Moderne, Zivilisation oder Demokratie“ misszuverstehen sind, sondern „durchaus rational und funktional in diesen Kontexten funktionieren“: um Macht zu demonstrieren, Kontrolle auszuüben, Gemeinschaft zu stiften oder Souveränität herzustellen. Die erkennen ein Schema, das sich von den Militärregimes der 1970er Jahre nur dadurch unterscheidet, dass Gewalt dezentraler und unberechenbarer ausgeübt wird. Die Folgen seien eine Traumatisierung der Opfer und eine Generation von Angst und sozialer Lähmung.
Dabei möchten sie weniger Gräueltaten beschreiben als vielmehr den Umgang damit. So schildert ein Kapitel, wie in Kolumbien Opfer militärischer und paramilitärischer Gewalt ihre Traumata verarbeiten. Ein anderes gibt Einblicke, wie sich Menschen organisieren, um der Gewalt zu begegnen, ohne durch Gegengewalt die Spirale des Todes weiter anzutreiben. In Mexiko zeigen indianische Gemeinschaften, dass Selbstverteidigungsverbände etwas anderes sind als paramilitärische Gruppen. Sie werden zum Beispiel von Viehzüchtern aufgestellt, die keine Schutzgelder an die Guerilla zahlen wollen. Sie verteidigen ihre Dorfgemeinschaften gegen kriminelle Banden und korrupte Polizisten. Deswegen werden sie auch von staatlicher Seite kriminalisiert.
In einem abschließenden Kapitel beschäftigt sich Wolf-Dieter Vogel mit der deutschen Verantwortung für die politische Gewalt in Mexiko. Das Sturmgewehr G36 der Waffenschmiede Heckler&Koch erfreut sich auch in jenen Bundesstaaten größter Beliebtheit, in die wegen Menschenrechtsbedenken gar keine Waffen exportiert werden dürfen. Die Recherche wirft ein bezeichnendes Licht auf die Doppelmoral im öffentlichen Diskurs, auf den nonchalanten Umgang mit Verboten und auf die Rolle von Waffenlobbyisten.
Die Frage, ob Mexiko aus den kolumbianischen Erfahrungen mit Drogengewalt und Staatsterrorismus etwas lernen kann, wird zwar aufgeworfen, bleibt aber letztlich unbeantwortet. Leserin und Leser profitieren von der Lektüre dennoch.
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