(18.2.2013) Das Land mit den riesigen Gegensätzen: Zwischen der indischen Metropole Mumbai mit ihren glänzenden Bürotürmen und den Wellblechhütten der Armen auf dem Land in Nordindien liegen Welten. Trotz seines beachtlichen Wirtschaftswachstums hat es Indien bis heute nicht geschafft, die Armut nachhaltig zu senken. Seit 2005 versucht die indische Regierung immerhin gegenzusteuern: mit dem größten Beschäftigungsprogramm der Welt, dem Mahatma Gandhi National Rural Employment Act. Eine neue Studie der US-amerikanischen Carnegie-Stiftung geht der Frage nach, ob das Programm den Armen und der gesamten Volkswirtschaft nützt.
Das Gesetz, das im September 2005 in Kraft getreten ist, garantiert allen Arbeitssuchenden in ländlichen Gebieten 100 Tage im Jahr einen bezahlten Job. Es soll zugleich die Produktivität in der Landwirtschaft erhöhen, den Umweltschutz stärken, Frauen und benachteiligte Bevölkerungsgruppen wie die Dalits besonders berücksichtigen und die eigenständige Verwaltung der Dörfer stärken. Die Autoren der Studie stellen dem Programm insgesamt ein gutes Zeugnis aus und bezeichnen es als „machtvolles Instrument, um die Armut kurz- und langfristig zu bekämpfen“. Die Beteiligung sei seit 2006 von 20 Millionen Haushalten auf 50 Millionen im Jahr 2011 gestiegen. Sie hätten insgesamt 2,5 Milliarden Arbeitstage in 7,4 Millionen Projekten geleistet – beim Bau von Straßen und Brunnen, dem Anlegen von Plantagen, dem Schutz vor Überschwemmungen, Wind- und Bodenerosion.
Das feste Einkommen – seit Januar 2011 ist es an den Verbraucherpreisindex für ländliche Beschäftigte gekoppelt – ermögliche den Armen ein besseres Leben. Darüber hinaus befördere das Beschäftigungsprogramm die gesamte indische Wirtschaft, weil die Produktivität in der Landwirtschaft, bei der Verarbeitung von Lebensmitteln und im Handwerk gestiegen ist, heißt es in der Studie.
Das Programm zeigt auch Schwächen – zum Beispiel beim Thema Korruption
Das Programm wird mit Hilfe von Einkommenssteuern finanziert und trägt damit dazu bei, den Wohlstand zumindest in geringem Maße umzuverteilen. Während er bei den Wohlhabenden um ein bis zwei Prozent gesunken sei, sei er bei den ärmsten Haushalten um acht Prozent gestiegen, so die Autoren.
Zahlreiche Evaluierungen zeigen allerdings auch Schwächen des Programms und Missstände auf: Beamte zweigten Geld ab, das für die Löhne bestimmt war, Gehälter wurden nicht in der versprochenen Höhe ausgezahlt, Ehemänner erhielten den Lohn ihrer Frauen und manche Projekte wurden nicht abgeschlossen wie geplant. Die Tatsache, dass solche Berichte öffentlich zugänglich sind, könne aber dazu beitragen, die Mängel zu beseitigen, die bei einem so großen und ambitionierten Projekt zu erwarten seien, meinen die Autoren der Carnegie-Studie zuversichtlich.
Die Politikwissenschaftlerin Ellen Ehmke äußert sich dagegen etwas skeptischer. Die Hoffnung, das Gesetz werde dazu beitragen, der Stimme der benachteiligten ländlichen Bevölkerung mehr Gewicht zu verleihen, habe sich „nicht umfassend erfüllt“. Einen „beachtlichen Erfolg“ hingegen sieht auch sie in der wirtschaftlichen Integration von Frauen mit Hilfe des Programms – die Vorgabe, dass ein Drittel der Beschäftigten weiblich sein müssen, werde seit seinem Beginn übertroffen. (gka)
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