Die Katastrophe dauert an

Haiti leidet noch immer an den Folgen des Erdbebens vor drei Jahren
Haiti leidet noch immer an den Folgen des Erdbebens vor drei Jahren

Am 12. Januar 2010 wurde Haiti von einem Erdbeben erschüttert. 250.000 Menschen starben, Millionen wurden obdachlos. Eine Vielzahl von Hilfsorganisationen kam in das Land, mit Milliarden Spendengeldern, mit Nothilfe, mit unzähligen Projekten. Seither wurde Haiti auch als „Republik der NGOs“ verspottet - teilweise zu Recht, sagen NGOs.

Barbara Küpper, Regionalreferentin Haiti von der Hilfsorganisation Misereor, hat das Land Ende November 2012 zum ersten Mal besucht. Sie berichtet gegenüber „welt-sichten“ von einer „Verbitterung“, die sie bei vielen Einheimischen erlebt habe: „Man spürt, dass die Menschen den Hilfsorganisationen kaum noch vertrauen.“ Es sei immer schwieriger, Ehrenamtliche für eine Mitarbeit zu gewinnen. Aber Küpper habe auch „ein wachsendes Selbstbewusstsein“ gesehen, „gerade weil so viele Projekte im Sand verlaufen sind, lassen viele Menschen nicht mehr alles mit sich machen, und das ist der erste Schritt zur Selbsthilfe.“ Küpper erzählt von einer „schockierenden Kurzlebigkeit von Projekten“: „Zum Beispiel gab es ein Choleraschutzprogramm, das bestand aus mehreren Häusern, etwa um Kranke mit Infusionen zu versorgen. Nach Ende des Projekts stehen die Häuser nun leer und man lässt sie verrotten, statt sie anderweitig zu verwenden.“  Dabei gebe es dringenden Bedarf an Wohnraum. Heute leben noch immer rund 350.000 Menschen in Zelten. „Viele von ihnen haben sich längst damit abgefunden, dort zu leben, sie haben resigniert.“

Experten fordern mehr Transparenz bei der Verteilung von Hilfsgeldern

In diesem Zusammenhang sieht das US-amerikanische Forschungsinstitut Center for Global Development (CGD) bei der Verteilung von Hilfsgeldern großen Handlungsbedarf, um die Situation in Haiti zu verbessern. Die Experten sprechen sich für deutlich mehr Transparenz aus, zum Beispiel durch verstärkte Evaluierung sowie durch offizielle Ausschreibungen. Bisher sei kaum ersichtlich, wofür das Geld verwendet werde. Laut CGD sind 90 Prozent der bisher geleisteten Hilfszahlungen von insgesamt sechs Milliarden US-Dollar an internationale NGOs und private Konzerne geflossen – und nur vier Prozent an haitianische Organisationen und Unternehmen.

Die zerstörte Kathedrale in der Hauptstadt Port-au-Prince sieht aus wie ein Mahnmal, das an eine Zeit erinnert, die längst vergangen sein sollte und doch noch immer andauert. Denn wie verwundbar Haiti ist, zeigte sich wieder im Oktober vergangenen Jahres, als der Wirbelsturm „Sandy“ über das Land hinwegfegte, Felder und Äcker verwüstete und große Teile der Ernte zerstörte.  Was der Hurrikan Isaac im Sommer 2012 nicht vernichtet hattte, „das hat jetzt Sandy zerstört“, kommentierte Premierminister Laurent Lamothe. Laut Caritas International wurde allein im Jahr 2012 sieben Mal der Notstand ausgerufen - wegen Stürmen, Trockenheit, Hungersnot und des Ausbruchs von Cholera.

Wegen der starken Abholzung werden Felder und Ernten einfach weggespült 

Martin Kessler, Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe, hat Haiti im vergangenen Jahr zwei Mal besucht. Er sehe „ein gemischtes Bild: Einerseits sind die Wunden des Erdbebens noch zu erkennen, andererseits gibt es schon Fortschritte beim Wiederaufbau.“ Für ihn bedeute es die größte Notwendigkeit, langfristig in den dortigen Katastrophenschutz zu investieren. „Wir arbeiten mit der nationalen Katastrophenschutzbehörde zusammen, was auch recht gut funktioniert“, sagt Kessler zu „welt-sichten“. Denn das Land werde auch in Zukunft immer wieder mit Hurrikans und Erdbeben rechnen müssen. Seine Organisation habe sich besonders beim Hausbau engagiert, berichtet Kessler, und rund 2000 erdbeben- und sturmresistente Häuser gebaut, „das ist Wohnraum für etwa 10.000 Menschen“. Kessler betont auch die Notwendigkeit von Wiederaufforstung, denn die starke Abholzung im Land habe zu Bodenerosion geführt: Nach Wirbelstürmen spülen Regen- und Schlammlawinen Felder und Ernten einfach weg.

Für Barbara Küpper ist ein weiterer Aspekt besonders wichtig: „Für die Zukunft des Landes ist es unbedingt nötig, in Bildung zu investieren.“ Dabei gehe es um die Vermittlung von Wissen insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft, Umweltbewusstsein, Ressourcenschonung – um Haiti langfristig weniger verwundbar und internationale NGOs überflüssig zu machen. (osk)

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