Überraschend wurde Helmut Asche im vergangenen Sommer von seinem Posten als Direktor des Evaluierungsinstitutes DEval abberufen - angeblich war man im Entwicklungsministerium (BMZ) unzufrieden mit seiner Leistung. Asche selbst sagt im Interview, er und sein Team hätten von Anfang an den Widerstand im Ministerium gegen ein unabhängiges Institut zu spüren bekommen.
Herr Asche, warum sind Sie von Ihrem Posten abberufen worden?
Mehr als das, was allen anderen gesagt wurde, weiß ich auch nicht: dass es an Strategie fehle und das Institut zu langsam Berichte produziere. Ich habe diesen Vorwurf der neuen BMZ-Leitung von Anfang an als ausgesprochen unaufrichtig empfunden, denn uns wurden nie die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt, um eine Strategie zu entwickeln und die Berichte im verlangten Ausmaß zu produzieren.
Das heißt, das Institut hat in den zwei Jahren Ihrer Amtszeit weniger Berichte vorgelegt als geplant?
Ja, weil wir in einer Situation waren, mit der wir nicht gerechnet hatten. Das DEval hat eine wunderbare Schar von engagierten und qualifizierten jungen Mitarbeitern, aber wir haben aus unterschiedlichen Gründen nie das volle Personal des Stellenplans zur Verfügung gestellt bekommen. Es gibt immer noch einen Stellenstopp bei den Abteilungsleitungen und das Ministerium war in zwei Jahren nicht in der Lage, diesen Missstand zu beheben. Zudem ist die ganze Konstruktion des Instituts verkorkst.
Inwiefern?
Das DEval ist eine Gesellschaft im Besitz des Bundes, vertreten durch einen einzigen Gesellschafter, nämlich das Entwicklungsministerium, von dem es zugleich Zuwendungen erhält. GmbH- und Zuwendungsrecht sind aber ein Einfallstor für tagtägliches Mikromanagement.
Hat Ihnen das Ministerium in die Arbeit des Instituts hineingeredet?
Ja, es hieß zum Beispiel, diese Evaluierung nicht jetzt, jene nicht so oder nicht in diesem oder jenem Land, für die nächste Evaluierung müssten erst noch bestimmte Referate im BMZ gehört werden, bevor eine Zeile veröffentlicht wird, und so weiter. Für die Mitarbeiter des Instituts ist eine solche Detailsteuerung in der Gründungsphase vielleicht hilfreich gewesen, aber unterm Strich kann die in den zwei dürren Worten „wissenschaftliche Unabhängigkeit“ garantierte Handlungsfreiheit in der Evaluierung so nicht funktionieren. Meines Erachtens gehört zu einer tragfähigen Lösung, die Zahl der bestimmenden Gesellschafter mindestens um das Auswärtige Amt und das Umweltministerium zu erweitern, um aus dieser dominanten Partnerbeziehung zum Entwicklungsministerium herauszukommen. Das entspricht auch der Tatsache, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit längst breiter als nur im BMZ verankert ist.
Vor zwei Jahren, als Sie Ihren Posten angetreten haben, habe ich Sie in einem Interview nach der finanziellen Abhängigkeit vom Ministerium gefragt. Sie antworteten, Unabhängigkeit bedeute nicht, völlig losgelöst zu sein. Mir schien damals, dass das kein Problem für Sie ist.
Die Grundaussage, dass Unabhängigkeit nicht bedeutet, völlig losgelöst zu sein, stimmt immer noch. Es ist vernünftig, dass das Institut grundsätzlich auf Nachfrage des Ministeriums evaluiert, natürlich auch auf Nachfrage aus dem Parlament oder den Entwicklungsorganisationen. Diese Art Bindung ist in Ordnung. Es ist aber eine ganz andere Frage, wie man mit einer solchen Bindung im alltäglichen Betrieb und bei der Durchführung von Evaluationen umgeht.
In unserem Interview Ende 2012 haben Sie gesagt, die Probe der Unabhängigkeit des Instituts werde darin bestehen, ob Sie die Evaluierungen frei durchführen können. Das war nicht der Fall?
Richtig, die unsäglichen Mühen der Ebene erlauben die Aussage nicht mehr, dass wir frei und uneingeschränkt arbeiten konnten.
Gibt es darüber hinaus aus Ihrer Sicht weitere Hinweise, die zeigen, dass das BMZ an einem unabhängigen Institut nicht wirklich interessiert ist?
Ja. Bis heute gibt es nach meiner Kenntnis keine Regelung, die dem Institut den uneingeschränkten Zugang zu Daten und Dokumenten der zu prüfenden Organisationen und des Ministeriums gewährt. Das wirkt sich natürlich auf die Arbeit aus. Eine solche Freigabe hätte schon bei der Gründung vorliegen und allen betroffenen Institutionen verbindlich mitgeteilt werden müssen.
Warum haben Sie den Posten des Geschäftsführers angesichts dieser vielen Konstruktionsfehler von Beginn an überhaupt angenommen?
Ich bin als Gründungsdirektor voller Optimismus und voller Zuversicht in die Handlungsfähigkeit und den Handlungswillen des Entwicklungsministeriums in diese Aufgabe gegangen. Da bin ich allerdings bitter enttäuscht worden, und damit meine ich nicht die damalige Leitung unter Minister Niebel, sondern eine breite mittlere Lehmschicht im BMZ.
Sie haben nach dem Regierungswechsel 2013 noch ein gutes halbes Jahr unter dem amtierenden Entwicklungsminister Gerd Müller gearbeitet. Hat sich der Wechsel auf das Institut ausgewirkt?
Ich kann wirklich nicht sagen, dass das DEval und ich von Minister Müller in der Arbeit ermutigt wurden. Im Gegenteil: Es werden Aussagen von ihm zitiert, dass ihm das Institut nicht besonders wichtig sei. Ich erlebe seinen entwicklungspolitischen Ansatz und seine Initiativen ohnehin nicht so, dass für ihn eine strikte Wirkungsorientierung im Vordergrund steht.
Wie meinen Sie das?
Das Afrikakonzept des BMZ etwa wurde letztes Jahr an der geplanten gemeinsamen Afrikapolitik der Bundesregierung vorbei aus dem Boden gestampft, und in Bezug auf zentrale Punkte wird es fast ausgeschlossen sein, das später zu evaluieren. Was etwa hat man sich unter den zehn geplanten Agrarzentren vorstellen und – vor allem – was sollen sie genau bewirken? Die sogenannte Zukunftscharta enthält eine Menge interessanter Ideen. Aber die handfeste operationale Bedeutung steht in den Sternen.
Wie geht es aus Ihrer Sicht jetzt weiter mit dem Institut?
Meine Befürchtung ist, dass das Ministerium das DEval an die Wand fährt. Die Grundprobleme sind nicht gelöst, und die im Dezember im Entwicklungsausschuss des Bundestages präsentierten „Strategie“-Elemente lassen befürchten, dass der Auftrag verwässert wird und das DEval irgendwann als kleine Abteilung im BMZ oder im Deutschen Institut für Entwicklungspolitik endet. Ich hoffe, dass ich damit falsch liege, weil ich das Institut weiterhin für ein großartiges Projekt halte, das auch international große Beachtung gefunden hat. Ich hoffe, dass meine Intervention, aber auch die von Bundestagsabgeordneten und Mitgliedern des DEval-Beirats, dazu beitragen kann, dass sich die BMZ-Spitze und die Arbeitsebene in Bewegung setzen und wenigstens einige der Probleme zügig beseitigt werden.
Das Gespräch führte Tillmann Elliesen.
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