Künftig dürfen Geberländer nur noch den Zuschussanteils eines Kredits als Entwicklungshilfe verbuchen – und nicht mehr die gesamte Darlehenssumme. „welt-sichten“-Redakteur Tillmann Elliesen erklärt, warum die Entscheidung richtig ist, aber noch lange nicht für eine echte Reform reicht.
Vor gut zwei Jahren gaben sich die wichtigsten Geberländer den Auftrag, ihre Entwicklungshilfe neu zu definieren. Die geltenden Kriterien, was als „Official Development Assistance“ (ODA) verbucht werden darf und was nicht, seien teilweise nicht mehr zeitgemäß, hieß es zur Begründung. Im Dezember haben die im Entwicklungsausschuss (DAC) der OECD versammelten Geber nun erste Beschlüsse gefasst. Sie betreffen vor allem die Hilfe, die nicht als Zuschuss, sondern als Kredit vergeben wird.
Andere Entscheidung wurden vertagt, was vor allem Fachleute aus der entwicklungspolitischen Zivilgesellschaft ärgern dürfte: Sie kritisieren seit langem, dass viele ODA-Leistungen in Wahrheit „Phantom-Hilfe“ seien, weil durch sie kein Cent in die armen Länder fließe. Gemeint sind etwa die Kosten, die die Geberländer tragen, um Flüchtlinge unterzubringen oder um jungen Leuten aus Entwicklungsländern Studienplätze anzubieten. Diese Ausgaben dürfen wie gehabt als Entwicklungshilfe angerechnet werden. Aus der OECD heißt es, es sei nicht erkennbar, dass die Geber daran etwas ändern wollen. Bis Ende dieses Jahres soll lediglich die Erfassung dieser Kosten vereinheitlicht werden. Das ist enttäuschend, weil tatsächlich fraglich ist, wie der Betrieb von Asylunterkünften in Deutschland zur Entwicklung der Herkunftsländer der Flüchtlinge beitragen soll.
Die Reform der Kreditvergabe hingegen ist ein großer Fortschritt. Nach den geltenden Regeln dürfen die Geber konzessionäre, also verbilligte Kredite an Entwicklungsländer als Hilfe verbuchen, wenn sie einen nicht rückzahlbaren Zuschussanteil von mindestens 25 Prozent enthalten. Sobald diese Schwelle überschritten ist, darf der Geber den vollen Kreditbetrag auf seine ODA-Quote anrechnen – egal ob der Zuschussanteil bei 25, 40 oder sogar noch mehr Prozent liegt. Die Höhe der Konzession spielt bei der ODA-Anrechenbarkeit keine Rolle – ein Anreiz für Geber, möglichst niedrig konzessionäre Kredite zu vergeben.
Der Verschuldung der ärmsten Länder vorbeugen
Das wollen die DAC-Mitglieder ändern: Ab 2018 dürfen sie nur noch den Zuschussanteil von Entwicklungskrediten als Hilfe verbuchen, nicht mehr die gesamte Kreditsumme. Das kehrt den Anreiz um: Für die ODA-Quote lohnt es sich dann, möglichst hoch konzessionäre Kredite zu vergeben. Kredite für die am wenigsten entwickelten Länder müssen außerdem einen höheren Zuschussanteil haben als Kredite für Länder mit mittlerem Einkommen, um als ODA anerkannt zu werden. Das soll einer Überschuldung gerade der ärmsten Länder vorbeugen. Vor allem zivilgesellschaftliche Organisationen bezweifeln zwar, dass Kredite überhaupt eine sinnvolle Form der Entwicklungshilfe sind. Doch die vom DAC beschlossenen Neuerungen entkräften die Einwände zumindest teilweise.
Als der DAC vor zwei Jahren die Diskussionen über eine Modernisierung der ODA-Kriterien begann, forderten Fachleute, bei der Bewertung von Leistungen müssten die entwicklungspolitischen Wirkungen viel stärker gewichtet werden als bisher. Bei der Änderung der Kreditvergabe haben die DAC-Mitglieder das beherzigt, bei der umstrittenen „Phantom-Hilfe“ hingegen haben sie es komplett ignoriert. Andere heikle Punkte sollen bis Ende dieses Jahres entschieden werden, etwa die Frage inwieweit die Unterstützung von Friedensmissionen Entwicklungshilfe ist. Oder die staatliche Förderung von entwicklungspolitisch sinnvollen Privatinvestitionen. Weitere wichtige Schritte in die richtige Richtung sind also nicht ausgeschlossen, so dass am Ende doch noch eine echte Reform stehen könnte.
Tillmann Elliesen
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