(21.11.2013) So geräuschlos wie Christ- und Sozialdemokraten um die Entwicklungspolitik der nächsten vier Jahre gerungen haben, so unspektakulär ist das Ergebnis: Es wird weiter ein eigenes Ministerium geben, von einer Aufwertung und mehr Kompetenzen aber ist im Entwurf der Koalitionsvereinbarung keine Rede.
Das Abrücken von der Zielvorgabe, dass 60 Prozent der Mittel in bilaterale Projekte fließen sollen, ist noch das konkreteste Ergebnis. Die heikle Finanzierungsfrage indes – ob Deutschland „mittelfristig zusätzlich eine Milliarde Euro im Jahr“ für arme Länder bereitstellt (SPD) oder sich dem Ziel von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens „durch jährliche Steigerungen im Rahmen des Bundeshaushalts annähert“ (CDU) – wird den Finanzpolitikern überlassen. Gleichwohl setzt der Fahrplan einige neue Akzente.
Beide Seiten äußerten sich zum Abschluss der Arbeitsgruppe Außen-, Verteidigungs-, Entwicklungspolitik und Menschenrechte zufrieden. „Markenkern der Union ist das Prinzip der Eigenverantwortung“, erklärte für die CDU die bisherige entwicklungspolitische Sprecherin Sibylle Pfeiffer. Das gelte besonders für leistungsfähige Schwellenländer wie Indien.
„Von den Schwellenländern muss die eigenverantwortliche Verwirklichung der Menschenrechte auf Nahrung, Gesundheit und Bildung für die eigene Bevölkerung eingefordert werden“, heißt es in dem Papier. Gleichzeitig sollen die ärmsten und fragilen Staaten der Welt stärker unterstützt werden.
Die Sozialdemokraten sind stolz auf ihre Handschrift in zentralen Punkten
Auch die Sozialdemokraten halten sich zugute, ihre Handschrift in zentralen Punkten hinterlassen zu haben. Ein Schlussstrich werde gezogen unter die „wenig zukunftsfähige starre Quotierung der Mittel für bi- und multilaterale Zusammenarbeit“; stattdessen werde künftig nach Effizienz verteilt. Zudem rückten Welthandelsbedingungen sowie der Schutz globaler öffentlicher Güter und die Fürsorge für politische und soziale Menschenrechte – insbesondere für Frauen – stärker in den Fokus. So werde „Entwicklungszusammenarbeit wieder als globale Strukturpolitik betrieben, mit der Globalisierung nachhaltig und gerecht für alle Menschen gestaltet werden soll“.
Niederschlagen sollen sich diese Prinzipien etwa in Wirtschaft und Handel. „Wir wollen die Arbeitsbedingungen in den Entwicklungsländern verbessern“, verspricht der Vertragsentwurf. Freihandel solle nicht zum Einfallstor für Lohn- und Sozialdumping werden. Eine schwarz-rote Bundesregierung will sich dafür einsetzen, dass in alle EU-Handelsabkommen menschenrechtliche, ökologische und soziale Mindeststandards wie die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation aufgenommen werden.
Auch Forderungen der EU an multinationale Unternehmen nach mehr Transparenz, speziell im Rohstoffsektor, sollen „zügig umgesetzt“ oder „positiv begleitet“ werden. In der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft, ein Kernthema des scheidenden FDP-Ministers Dirk Niebel, soll mehr darauf geachtet, wie sie auf die Bevölkerung der Partnerländer wirkt.
Deutschland will auf der internationalen Bühne eine aktive Rolle spielen
Auf der Weltbühne will Deutschland „eine aktive Rolle dabei spielen, dass die Weiterentwicklung der Millenniumsziele zu universellen Entwicklung- und Nachhaltigkeitszielen führt“. Gelegenheit dazu bieten die G8 und G20-Gipfel, die 2015 von Deutschland ausgerichtet werden. Wie die Ministerien in dieser Debatte eine laute gemeinsame Stimme finden wollen, bleibt indes dahingestellt. Der von Wissenschaftlern und nichtstaatlichen Entwicklungsorganisationen geforderte große Wurf, das Entwicklungsministerium solle hier Kompetenzen bündeln oder gar ein Vetorecht erhalten, bleibt aus.
Über den Schlüsselsatz in der Präambel geht das Koalitionsergebnis in dieser Frage nicht hinaus: „Die globalen Herausforderungen sind nur in internationaler Zusammenarbeit und in einem koordinierten Einsatz aller Instrumente der Außen-, Sicherheits- Verteidigungs- und Entwicklungspolitik zu bewältigen.“ Immerhin soll die ressortübergreifende Kooperation ausdrücklich auch in der Friedenspolitik gestärkt werden, etwa bei der Krisenprävention und der Konfliktbewältigung. Deutsche Institutionen der Friedensförderung dürfen auf mehr Zuwendung hoffen.
Marina Zapf
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