„Deutschland könnte einiges bewegen“

Was Cornelia Füllkrug-Weitzel als Entwicklungsministerin vorhat
Was Cornelia Füllkrug-Weitzel als Entwicklungsministerin vorhat

(12.8.2013) Sollte die SPD nach der Bundestagswahl am 22. September in die Regierung kommen, will die Präsidentin von „Brot für die Welt“ das Entwicklungsressort übernehmen. Als erstes würde sie sich für eine Beschränkung von Rüstungsexporten einsetzen, sagt Cornelia Füllkrug-Weitzel im Gespräch mit „welt-sichten“. Dem amtierenden Minister, Dirk Niebel, wirft sie vor, er habe bisherige Ansätze in der Entwicklungspolitik „verächtlich“ gemacht und dem nur „wenige eigene positive Bilder entgegengesetzt“.

Es sei gut, dass Niebel zu der Erkenntnis gelangt sei, „dass Entwicklungspolitik in die Mitte der Gesellschaft gehört“, sagt Füllkrug-Weitzel. Es gehe aber nicht darum, „mehr Privatpersonen zu eigenen Entwicklungsprojekten anzuregen“. Es müsse in der Bevölkerung ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, „dass Armutsbekämpfung und die Transformation hin zu einer nachhaltigen Entwicklung gelingen kann, wenn jeder Einzelne seine Verantwortung wahrnimmt und entsprechend handelt.“ Dafür habe Niebel zu wenig getan.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hatte die Präsidentin von „Brot für die Welt“ im Juni in sein Kompetenzteam geholt. „Entscheidende Weichenstellungen für nachhaltige Entwicklung liegen vor uns“, sagt Füllkrug-Weitzel; Deutschland müsse darin eine wichtige Rolle spielen, etwa beim Klimaabkommen oder bei der Entwicklungsagenda für die Zeit nach 2015. Eine wichtige Aufgabe werde sein, den anderen Ministerien das Bewusstsein zu vermitteln, dass es viele Schnittmengen zwischen ihren Arbeitsfeldern und der Entwicklungspolitik gebe. „Ich halte das nicht für aussichtslos, immerhin kommt die Entwicklungspolitik zum ersten Mal überhaupt in einem Schattenkabinett vor.“

In ihrem Wahlprogramm verspricht die SPD, sie werde die Entwicklungshilfe jährlich um eine Milliarde Euro erhöhen. Auf die Frage, wie schnell sie diese Zusage nach der Wahl wohl wieder zurücknehmen müsste, antwortet Füllkrug-Weitzel: „Ich hoffe, ich müsste sie ziemlich schnell zurücknehmen weil ich verkünden könnte, es wird noch mehr.“ Sollte die SPD die Wahl verlieren, dann werde sie als Präsidentin zu „Brot für die Welt“ zurückkehren und die Entwicklungspolitik der Bundesregierung kritisch begleiten, „so wie ich das in der Vergangenheit immer getan habe“.

„welt-sichten“ im Streitgespräch mit Parteienvertretern

Auch die entwicklungspolitischen Sprecher und Sprecherinnen der Bundestagsfraktionen äußern sich in einem Streitgespräch in „welt-sichten“ dazu, wie es nach der Wahl weitergehen sollte. An einer der letzten Amtshandlungen Niebels lassen sich die konträren Haltungen der Fraktionen gut ablesen: Ende Juli hatte der Minister Indien rund 900 Millionen Euro Entwicklungshilfe zugesagt – bilateral und fast vollständig als Kredite für „strategische Zukunftsinvestitionen in Umwelt, Energie und Wirtschaftsentwicklung“. Indien zählt neben Brasilien, Russland, China und Südafrika zu den aufstrebenden Schwellenländern, den sogenannten Brics-Staaten. Niebel argumentierte, Indiens Wirtschaftsentwicklung konzentriere sich noch zu sehr auf wenige Ballungsräume, auf dem Land gebe es noch erhebliche Defizite. Daher unterstütze Deutschland die indische Regierung unter anderem auch beim Ausbau ihrer Sozialsysteme.

Im Gespräch, das „welt-sichten“ mit den entwicklungspolitischen Sprecherinnen und Sprechern der fünf Bundestagsfraktionen führte, sagte Sascha Raabe (SPD), der Ausbau der Sozialsysteme sei zwar eine der wichtigsten Aufgaben von Entwicklungshilfe. Aber von den Schwellenländern „sollten wir fordern, dass sie selbst für die Einhaltung des Menschenrechts auf Nahrung und Gesundheit sorgen. Was Brasilien vorgemacht hat, können auch Indien oder China ohne Finanzierung von uns.“ Und: Indien sollte eher „unsere Beratungsleistungen einkaufen“.

Sibylle Pfeiffer (CDU) hielt dagegen, bei der Zusammenarbeit mit Indien gehe es um Klimaschutz, Umwelt oder Energie. „Diese Zukunftsfragen müssen wir gemeinsam lösen.“ Das Geld für diese Zusammenarbeit solle „mal aus dem Etat des BMZ, mal aus dem des Umwelt- oder Wirtschaftsministeriums“ kommen. Das brachte Ute Koczy (Grüne) zu dem „entscheidenden Thema für die nächste Legislaturperiode“ – „Kohärenz“: „Für den Aufbau von sozialen Sicherungssystemen, für die Energie- und Agrarwende im globalen Süden oder die Friedensarbeit muss man zudem mit anderen Gebern zusammenarbeiten. Bilaterale Hilfe ist hier eine Sackgasse.“ (ell/osk)

Lesen Sie weiter und erfahren Sie, was die Vertreterinnen und Vertreter der Bundestagsfraktionen  zu den Themen 0,7-Prozent-Ziel, GIZ-Reform und Freihandelspolitik zu sagen haben.

Das vollständige Interview mit Cornelia Füllkrug-Weitzel können Sie in der September-Ausgabe von „welt-sichten“ lesen.
 

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