Eine Initiative in Südafrika will Treibhausgas-Emissionen auf individueller Ebene reduzieren
Gespräch mit der südafrikanischen Klima-Aktivistin Brenda Martin
Auf der Weltklimakonferenz in Bali haben sich auch Entwicklungs- und Schwellenländer zu messbaren Klimaschutzbeiträgen verpflichtet. In Südafrika ist der Klimawandel seit einiger Zeit ein heiß diskutiertes Thema.
War die Weltklima-Konferenz in Bali in Ihren Augen ein Erfolg?
In Bali sind kleine, aber bedeutende Fortschritte erzielt worden. Das wichtigste Ergebnis war natürlich die „Straßenkarte“. Sie weist den Weg in zwei Richtungen. Diejenigen, die das Kyoto-Protokoll ratifiziert haben, können nun ihre Arbeit an konkreten Zielen für den Klimaschutz fortführen. Zudem wurde ein neuer Prozess angestoßen, in dem sich die USA und die größeren Entwicklungsländer engagieren werden. Die Entwicklungsländer wurden in einer völlig neuen Weise zur Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen beziehungsweise zur Begrenzung ihres Anstiegs verpflichtet.
Wie können Schwellenländer wie Südafrika dazu beitragen, die Folgen des Klimawandels abzuschwächen?
Südafrika liegt an der Schwelle zwischen Entwicklungs- und Industrieländern. Die Treibhausgas- Emissionen pro Kopf sind bereits so hoch wie in den Industriestaaten, etwa neun Tonnen Kohlendioxid pro Kopf (Deutschland: rund zehn Tonnen, Anmerkung der Redaktion). Ein Mittelklassehaushalt verbraucht durchschnittlich 38 Tonnen Kohlendioxid im Jahr. Vor allem Industrie und Bergbauunternehmen sind in Südafrika verantwortlich für die Treibhausgas- Emissionen, allen voran der nationale Stromversorger Eskom. Zugleich wurden bislang keine nennenswerten Anstrengungen unternommen, erneuerbare Energiequellen zu erschließen. Auf diese beiden Gebiete muss sich Südafrika konzentrieren: die Verringerung von Emissionen und die Entwicklung von Technologien zur Gewinnung erneuerbarer Energien. Wir leben in einem Land, in dem Menschen bewiesen haben, dass sie Veränderungen anstoßen können. Ich meine Menschen wie Nelson Mandela,die eine moralische Wahl getroffen haben, sich für Veränderungen einzusetzen. Mit unserem Projekt „90 by 2030“ zielen wir vor allem auf das Engagement von Einzelnen.Während auf der nationalen Ebene all die Veränderungen nötig sind, die ich vorhin genannt habe, möchten wir gleichzeitig alle Einzelnen dazu bringen, ihren Lebensstil zu ändern.
Welchen Beitrag sollten die Industrieländer leisten?
Entwicklungs- und Schwellenländer brauchen unbedingt Unterstützung bei der Technologie-Entwicklung, vor allem für Solaranlagen und Windkraftturbinen. Diese Technologien sind in Südafrika noch sehr teuer. Sogar Angehörige der Mittelschicht sagen, dass sie sich das nicht leisten können. Die Technologien sind noch nicht so weit entwickelt, dass sie bezahlbar sind. Außerdem müssen die Industrieländer natürlich ihre Treibhausgas- Emissionen reduzieren. Sie verursachen schließlich den größten Teil der Emissionen, während der Süden die Folgen tragen muss.
Wie wirkt sich der Klimawandel in Südafrika aus?
Vor allem in den vergangenen zwei Jahren hatten wir viele Überschwemmungen. 1988 gab es in Laingsberg eine der schlimmsten Überflutungen, an die ich mich erinnere, seitdem hat ihre Zahl stetig zugenommen. Die Bauern haben Probleme mit der Ernte, weil sich die Wetterbedingungen verändern. Die Zeiträume zwischen Trocken- und Regenzeit werden länger, die Regenzeit verschiebt sich.Wenn sie beginnt, regnet es oft sehr stark und das verursacht Überschwemmungen.
Sind die Folgen des Klimawandels ein Thema in der südafrikanischen Gesellschaft?
Im vergangenen Jahr ist das Interesse daran enorm gestiegen. Als ich 2005 eine Studie über nachhaltige Entwicklung gemacht habe, war vom Klimawandel noch kaum die Rede. Aber seit 2006 und vor allem seit der Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC) seinen jüngsten Bericht herausgegeben hat, ist das Thema sehr präsent in der öffentlichen Diskussion. Wir haben ständig Berichte, vor allem im Fernsehen. Sogar in den Seifenopern bringen sie das Thema – in Sendungen, die sich die Menschen täglich anschauen. Die Zeitschriften greifen das Thema zwar auch auf, doch die Menschen werden eher durch visuelle Eindrücke erreicht. Der Film von Al Gore, „Die unbequeme Wahrheit“,war lange im Kino zu sehen und jetzt gibt es die DVD in Videogeschäften. Aber der Film ist ständig ausgeliehen. Die Menschen sind sehr interessiert an dem Thema.
Was muss im Kampf gegen den Klimawandel als nächstes passieren?
Bis 2015 muss die Reduzierung der Treibhausgase im Vordergrund stehen. Es geht darum, das Ausmaß der Erderwärmung zu begrenzen. Danach müssen wir uns intensiver mit Anpassungsprogrammen beschäftigen, deren Ziel es ist, die nicht mehr abwendbaren Folgen des Klimawandels abzumildern.
Ihr Projekt „90 by 2030“ verfolgt ein sehr ehrgeiziges Ziel. Wie wollen Sie das erreichen?
Zunächst waren wir inspiriert von der These von Georg Monbiot, dem Autor des Buches „Hitze“, dass die Treibhausgase bis 2030 weltweit um 90 Prozent reduziert werden müssen. Aber wir stellten fest, dass wir das nicht auf Südafrika übertragen können. Statt dessen möchten wir vor allem wohlhabende Südafrikaner dazu bringen, ihren Lebensstil bis 2030 um 90 Prozent zu verändern. Dazu werden wir noch in diesem Monat damit beginnen, auf kommunaler Ebene so genannte „90 by 2030“-Clubs zu gründen. Am Anfang werden wir die Treibhausgas- Emissionen der Haushalte in jedem Club messen. Wir werden den Teilnehmerinnen und Teilnehmern empfehlen, wie sie ihre Emissionen verringern können: durch den Einsatz von Energiesparlampen, Solarpaneelen und eine verbesserte Wärmedämmung. Alle sechs Monate messen wir die Emissionen erneut und geben Empfehlungen, wie sie weiter reduziert werden können. In den nächsten drei Jahren möchten wir so eine allmähliche Verringerung der Emissionen erreichen, die im Schnitt jährlich mindestens zehn Prozent betragen soll.
Betreiben Sie mit Ihrem Projekt auch Lobby-Arbeit?
Berater unseres Projektes haben enge Kontakte zum IPCC und zu nationalen Klima-Initiativen. Außerdem kooperieren wir mit internationalen Organisationen und unterstützen deren Anwaltschafts- Arbeit. Wir werden sehr eng mit der katholischen Kirche zusammenarbeiten. Führende Kirchenvertreter haben großen Einfluss in der südafrikanischen Regierung. Außerdem haben sie Gemeinden. Sie können ihre Gemeindemitglieder davon überzeugen, dass sie als Konsumenten Einfluss ausüben können. Wir müssen die Menschen dazu bringen, über die Kosten ihres Lebensstils nachzudenken.
Die Fragen stellte Gesine Wolfinger.
Brenda Martin ist für die Umsetzung des Klima-Projektes „90 by 2030“ in Südafrika verantwortlich. Das dreijährige Pilotprojekt, das im Juli 2007 gestartet wurde, wird von Misereor unterstützt.
welt-sichten 1-2008