Brüsseler Klima-Flickschusterei

Treibhausgasgutschriften aus dem europäischen Emissionshandel sind zu billig. Das weiß auch die Kommission. An eine umfassende Reform wagt sie sich trotzdem nicht.

Nach langem Gezerre zwischen den EU-Instanzen Kommission, Ministerrat und Parlament wurde am 13. Mai ein Kompromiss besiegelt, wie der Handel mit Emissionsrechten in Europa vorerst zu reparieren ist, um den Preisverfall zu stoppen. Der riesige Überhang an unverbrauchten Emissionszertifikaten soll ab 2019 als eine „Reserve zur Marktstabilisierung“ aus dem Handel genommen werden. In den Jahren darauf kann die EU-Kommission Teile aus dieser Reserve wieder freigeben, sollte das Angebot allzu knapp werden.

Das ist kaum zu erwarten. Zwar schätzen Fachleute, dass sich der Preis für Emissionsrechte vom derzeitigen Tiefststand von weniger als fünf Euro pro Tonne CO2 allmählich wieder erhöht. Doch nicht auf ein Niveau von 30 Euro pro Tonne, das nötig wäre, um die zwei Ziele des Emissionshandels zu erreichen: zum einen Investitionen in die Technik zur Minderung von Emissionen lohnend zu machen, zum anderen aus den Auktionen für die Zertifikate genügend einzunehmen, um Klimaschutzmaßnahmen in den Entwicklungsländern zu finanzieren.

Dazu müssten die EU und ihre Mitgliedstaaten gemäß dem Beschluss der Weltklimakonferenz 2010 in Cancún ab 2020 mindestens zehn Milliarden Euro jährlich beitragen. Im vergangenen Jahr belief sich das Aufkommen aus den Auktionen für Emissionszertifikate allerdings auf gerade mal 300 Millionen Euro beziehungsweise drei Prozent davon. Zudem verschwinden die Einnahmen zuerst in den nationalen Finanzämtern der EU-Länder und werden dort zum Teil schon für eigene Klimaschutzmaßnahmen verwendet.

CDM-Zertifikate sind zurzeit nur noch einen halben Euro wert

Ungewiss bleibt auch, wie im Europäischen Emissionshandelssystem (ETS) mit den Zertifikaten aus dem Clean Development Mechanism (CDM) verfahren werden soll. Im CDM investieren Unternehmen in Klimaschutzvorhaben in Entwicklungsländern und erhalten dafür Emissionsrechte. Zwar erlaubt die Kommission seit 2013 nur noch Gutschriften aus Projekten aus den am wenigsten entwickelten Ländern. Dennoch gibt es einen großen Überhang, denn Zertifikate aus Projekten, die vor 2013 vom Bonner CDM-Büro genehmigt wurden, kommen erst jetzt und in den nächsten Jahren auf den Markt und drücken die Preise. Derzeit werden CDM-Zertifikate für weniger als einen halben Euro gehandelt.

Diese Beschränkung könnte allerdings durch Pläne der Kommission ausgehebelt werden, den europäischen Emissionshandel auf andere Länder auszudehnen. Der Anschluss der Schweiz könnte noch in diesen Jahr beschlossen werden, mit Südkorea wird verhandelt. Das birgt das Risiko, dass CDM-Zertifikate von dort den Handel verwässern, denn die Rechte wären dann im gesamten System handelbar, ohne dass sich die beteiligten Länder außerhalb der EU an die Bestimmungen aus Brüssel zur Begrenzung der CDM-Zertifikate zu halten hätten. Eine breite Koalition von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen hatte deshalb im Februar die EU aufgefordert, CDM-Zertifikate vollständig aus dem ETS zu verbannen.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2015: Indien: Großmacht im Wartestand
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