Mit glänzendem Gewissen

Hildegard Willer
Rund 45 Minuten Autofahrt von der Mine entfernt wird das Gold von Sotrami weiterverarbeitet.
Faires Gold
Bald soll auch in Deutschland fair produ­ziertes Gold auf den Markt kommen. Schmuckliebhaber müssen dafür etwas tiefer in die Tasche greifen. Was haben die Produzenten davon?

Die 1980er Jahre sind in Peru in schlimmer Erinnerung: Der blutige Konflikt zwischen der Guerillabewegung „Leuchtender Pfad“ und der peruanischen Regierung erschütterte das Land. Auf eine hohe Auslandsverschuldung folgte eine Hyperinflation. Wer konnte, ging ins Ausland. Andere wurden aus der Not heraus Bergleute. So wie Adrián Jiménez: Vor fast 30 Jahren packte er seinen Rucksack und genügend Wasser und ging hinauf nach Santa Filomena, ein altes Goldgräbercamp im staubtrockenen Küstengebirge im südlichen Peru.

Die Stollen im Berg stammten zum Teil noch aus der Kolonialzeit, die letzte Minengesellschaft hatte den Ort in den 1960er Jahren verlassen. Der Goldpreis war niedrig, die Ausbeute lohnte sich nicht mehr. Für Kleinbauern und Tagelöhner wie Adrián Jiménez reichte das Gold, das sie mit Schaufel und Pickel aus den Stollen holten, gerade zum Überleben. „Eigentlich war es lohnender, die Stützbalken in den Stollen als Holz zu verscherbeln“, erinnert sich Jiménez.

Heute ist er einer von 166 Genossenschaftern der Goldmine „Sociedad de Trabajadores Mineros S.A.“ (Sotrami) und führt die Besucher durch Santa Filomena. Der Ort ist ein schmuckes Dorf geworden: Holzhäuser, eine Schule, eine Gesundheitsstation, sogar einen Sportplatz mit Kunstrasen gibt es. Längst wohnen die Familien der Bergleute im Dorf, und Sotrami bietet inzwischen 293 Arbeitsplätze an. Das ist nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, dass ihr Gold als „fair gehandelt“ zertifiziert ist.

Durch den Gold-Boom infolge der globalen Finanzkrise sind die Nachfrage und die Preise im vergangenen Jahrzehnt rasant gestiegen. Überall auf der Welt eröffneten große Bergbaukonzerne neue Minen – auch in Peru, das zu den weltweit größten Goldproduzenten gehört. Den größten Anteil am Geschäft mit dem Edelmetall haben internationale Rohstofffirmen, zum Teil im Joint Venture mit großen peruanischen Unternehmen. Aber auch kleine Konkurrenten behaupten sich auf dem Markt: 2013 stammten knapp ein Fünftel der peruanischen Goldexporte aus Kleinst- und Kleinbergwerken.

Käufer in Deutschland hatten bislang keine Möglichkeit, nachzuvollziehen, wo das Gold herstammt – ob es im industriellen Tagebau, legal oder illegal von Kleinschürfern gewonnen wurde. Das soll sich nun ändern: In Kürze soll fair gehandeltes Gold in Deutschland auf den Markt kommen. Vor vier Jahren hatten die Fair-trade Labelling Organization (FLO) und die Alliance for Responsible Mining (ARM) ein gemeinsames Gütesiegel für Kleinschürfer-Gold  in Großbritannien vorgestellt;  inzwischen ist es auch in den Niederlanden, Luxemburg und der Schweiz auf dem Markt.

Viele scheitern schon an der Legalisierung

Der Weg zur Zertifizierung führt zunächst über die Legalisierung des Betriebs – und für die müssen in Peru viele bürokratische Hindernisse überwunden werden. In den vergangenen Jahren hat der Staat die Auflagen aufgrund der zunehmenden Umweltschäden noch erhöht. Die wenigsten Goldschürfer besitzen eigene Schürfrechte und müssen deswegen einen Pachtvertrag mit dem offiziellen Konzessionär vorlegen. Daran scheitern viele kleine Bergbauvereinigungen. Im vergangenen Jahr konnten sich lediglich sieben Kleinbergbaubetriebe legalisieren.

Die Bergleute von Santa Filomena dagegen hatten bereits 1997, also noch vor dem Gold-Boom, ihre Genossenschaft gegründet und eigene Schürflizenzen erworben. Auf dieser Grundlage arbeitete Sotrami mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und peruanischen Entwicklungsorganisationen zusammen, die halfen, Arbeitsstandards einzuführen und die Kinderarbeit abzuschaffen. 2004 wurde Santa Filomena zur „kinderarbeitsfreien Zone“ erklärt.

„Wenn man erst einmal die Auflagen eines legalen Betriebs erfüllt hat, dann ist die Fairtrade-Zertifizierung nur noch ein Klacks“, sagt Eugenio Huyhua, seit neun Jahren Geschäftsführer von Sotrami. Unter anderem müssen Standards zur Arbeitssicherheit eingehalten und Instrumente zum Umweltschutz, etwa ein geschlossener Kreislauf beim Umgang mit Quecksilber oder eine dichte Abdeckung für Abraumhalden,  sachgemäß angewendet werden. Für das Label „Fairtrade“ braucht eine Bergbaugesellschaft zusätzlich Betriebskapital für Marktanalysen und Zertifizierungskosten. Ferner muss es sich um ein Gemeinschaftsunternehmen – also eine Genossenschaft oder eine Vereinigung von Kleinbergleuten – handeln. 2011 wurde Sotrami als erste peruanische Goldmine von der Fairtrade-Zertifierungsgesellschaft Flo-Cert für den fairen Handel zertifiziert.

Hat es sich gelohnt? „Es ist uns ganz gut gegangen“, sagt Huyhua – ein typisch peruanisches Understatement. Vor vier Jahren stand in seinem Büro in Lima ein Schreibtisch mit einem Angestellten, heute wuseln acht Mitarbeiter geschäftig herum. Vor drei Jahren, als Sotrami das erste Fairtrade-Gold auf den Markt brachte, produzierte die Genossenschaft 140 Kilogramm Gold pro Jahr; 2014 waren es bereits 240 Kilogramm. Die Fairtrade-Zertifizierung bringt vor allem zwei Vorteile gegenüber dem Verkauf an konventionelle Abnehmer: einen höheren Abnahmepreis und die Sozialprämie. So zahlt Fairtrade eine Prämie von 2000 US-Dollar pro verkauftem Kilogramm Gold, das Konkurrenz-Siegel „Fairmined“ sogar doppelt so viel. Die Prämie muss in Sozial- oder Infrastrukturprojekte fließen, die von der Gemeinschaft beschlossen werden.

Noch wichtiger als die Prämie ist für Huyhua der Zugang zu neuen Kreditmärkten. Dank der Fairtrade-Zertifizierung sind ausländische Kreditgeber auf Sotrami aufmerksam geworden. Kürzlich hat die Genossenschaft einen Kredit über eine Million US-Dollar von einer Schweizer Finanzierungsgesellschaft erhalten, zu Konditionen, die um ein vielfaches besser sind als bei peruanischen Banken. Mit dem Geld möchte Sotrami zwei neue Konzessionen ausbauen, seine Mine und die Aufbereitungsanlage modernisieren.

Als Rosa Reyes vor 14 Jahren im Bergbaudorf Relave ihr Praktikum als Sekretärin bei der kleinen Genossenschaft Aurelsa S.A. begann, sagten manche Bergleute, sie habe als Frau im Berg nichts zu suchen. Denn es geht die Mär um, dass die Frau „Mine“ sonst eifersüchtig werde und ihre Goldadern nicht mehr hergebe. „Heute ist das zum Glück anders“, sagt Reyes und lacht. Aber als weibliche Geschäftsführerin der Genossenschaft mit 22 Angestellten ist sie bis heute eine Ausnahme unter ihren Kollegen.

Aurelsa ist neben Sotrami die zweite Fairtrade-zertifizierte Goldmine in Peru, wenn auch mit 36 Kilo Jahresproduktion erheblich kleiner. Reyes schätzt besonders, dass die Siegel-Betreiber die Unternehmensentwicklung intensiv unterstützten. Das habe aus einer Ansammlung Bergleuten, die für den täglichen Bedarf schürfen, einen modernen Betrieb gemacht. 90 Prozent seiner Produktion verkauft Aurelsa über das Fairtrade-System direkt an einen Händler in Frankreich. Die Nachfrage nach zertifiziertem Gold ist groß, bestätigen Rosa Reyes und Eugenio Huyhua. Trotz des hohen Preises kämen sie mit der Produktion gar nicht nach. Und dies, obwohl die Käufer den Produzenten bis zu 98 Prozent des Weltmarktpreises plus Sozialprämie bezahlen – also fast keine Marge für Zwischenhändler anfällt.

Die gestiegene Nachfrage nach Fairtrade-Gold mag darauf zurückzuführen sein, dass die Konkurrenz der Händler das Geschäft belebt. 2012 hat die Alliance for Responsible Mining (ARM) ein eigenes Siegel „Fairmined“ auf den Markt gebracht, nachdem sie zuvor zusammen mit FLO International das erste „Fairtrade“-Siegel für Gold mit entwickelt hatte. Für FLO sei Gold nur ein Produkt unter vielen und der neue Markt für Fairtrade-Gold werde nur langsam erschlossen, sagt Gabriela Flores von ARM. „Fairmined“ dagegen sei auf Gold spezialisiert und kenne den Markt besser. ARM verkauft sein zertifiziertes Edelmetall an Goldschmiede in zwölf Ländern, jedoch nicht in Deutschland, wo „Fairtrade“ das weitaus bekanntere Label ist. Da bei den Kriterien für die Siegel keine großen Unterschiede bestehen, können Produzenten wie Sotrami und Aurelsa beide Label verwenden und auch beide Abnehmer bedienen.

Auch fair gehandeltes Gold hat seine dunklen Seiten

Hinzu kommt, dass die Schweizer Raffinerien als Hauptabnehmer des Edelmetalls unter starkem Druck stehen. Es gab Vorwürfe, sie hätten Konfliktgold aus dem Kongo verarbeitet oder Gold, für das Regenwald abgeholzt wurde. Das veranlasste sie dazu, ihre Lieferketten zu überprüfen und zu verbessern. Zusammen mit dem Schweizer Außenhandelsdepartement SECO legten sie die „Better Gold Initiative“ (BGI) auf. Sie hilft kleinen Bergbaubetrieben dabei, ihre Lieferketten lückenlos zu dokumentieren. Für die legalen und Fairtrade-zertifizierten kleinen Bergbaubetriebe hat sie den Markt erweitert: Was „Fairtrade“ und „Fairmined“ nicht aufkaufen, landet – wenn auch mit geringerer Sozialprämie – auf dem Schweizer Markt.

Aber auch das Fairtrade-Gold hat seine dunklen Seiten. Das goldhaltige Gestein wird aus den bis zu 900 Meter tiefen Stollen gefördert und in elektrisch betriebenen Mühlen fein gemahlen. Danach muss das Gold herausgefiltert werden, und dazu werden bis heute entweder Quecksilber oder Zyanid verwendet. Auch Aurelsa und Soltrami greifen zur hochgiftigen Zyanidlauge. Staatliche Umweltauflagen werden zwar eingehalten, aber ökologisch unbedenklich ist die Goldproduktion nicht. Aktivisten der Kampagne „Bergwerk Peru“ lehnen die Fairtrade-Zertifizierung von Gold deshalb insgesamt ab. Sie kritisieren vor allem die Verwendung des Edelmetalls als Geldanlage. Wenn man schon unbedingt Gold kaufen wolle, dann sei recyceltes, also wieder eingeschmolzenes Gold eine gute Alternative, sagt Kampagnensprecher Hartmut Heidenreich.

Dem widerspricht Jan Spille nicht. „Der Kunde soll entscheiden, welche Art von Gold er für sein Schmuckstück möchte.“ Der Goldschmied aus Hamburg benutzt seit Jahren ohne Zyanid und Quecksilber hergestelltes Waschgold aus einer kleinen Goldmine in Nordargentinien oder Recycling-Gold. Soll ein Schmuckstück aus Öko-Gold sein, kostet das den Kunden rund 15 Prozent Aufpreis. Nun hat Spille beschlossen, auch nicht ökologisches Fairtrade-Gold in sein Sortiment aufzunehmen. „Der Bergbau findet immerhin in wünschenswerter Weise statt und viele Menschen haben dadurch ein Auskommen, das sie sonst nicht hätten“, begründet Spille seine Entscheidung. Eugenio Huyhua kann das nur untermauern: „Wer das Engagement unserer Leute sieht und weiß, wie unsere Dorfgemeinschaft durch die Zertifizierung vorangebracht wurde, der weiß auch, warum er Fairtrade-Gold kauft.“

 

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erschienen in Ausgabe 5 / 2015: Töten für den rechten Glauben
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