Exporte sind künftig nur noch verboten, wenn „ein hohes Risiko besteht, dass das zu liefernde Material für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt wird“. Gestrichen hat das Parlament die strengere Regelung, wonach die Regierung Verträge nicht bewilligen darf, wenn das Bestimmungsland „Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt“.
Im Visier hat die Rüstungsindustrie dabei vor allem Saudi-Arabien. In die Golfmonarchie durften bisher nur sehr eingeschränkt Waffen exportiert werden; mit der Lockerung soll dieser Markt den Rückgang der Ausfuhren in europäische Länder kompensieren.
Für Amnesty International ist es ein „Skandal, dass die Schweiz wirtschaftliche Interessen vor den Schutz der Menschenrechte stellt.“ Damit verliere das Land „ein großes Stück Glaubwürdigkeit als Vorreiterin für Menschenrechte“, sagt Alain Bovard, Rüstungsexperte bei Amnesty International Schweiz.
Der umstrittene Entscheid wurde auch in den Medien ungewöhnlich scharf kritisiert und füllte die Leserbriefspalten. Die Reaktionen fielen auch deshalb heftig aus, weil ausgerechnet die Christliche Volkspartei (CVP) das Zünglein an der Waage spielte. Die Mehrheit der CVP-Fraktion war zwar aus ethischen Gründen gegen die Lockerung, der wirtschaftsnahe Parteiflügel stimmte aber mit der Rechten für die Interessen der Rüstungsindustrie. Und weil aus der Abstimmung in der großen Parlamentskammer ein Patt resultierte, gab der CVP-Ratspräsident den Stichentscheid, was die christliche Parteibasis besonders erzürnte.
"Mit den modernen Systemen kann man nur auf Flugzeuge schießen"
Dass die wirtschaftlichen Überlegungen obsiegten, erstaunt: Denn tatsächlich ist der Anteil der bewilligungspflichtigen Waffenexporte am Schweizer Exportvolumen verschwindend gering: 2013 waren es nur 0,22 Prozent. Begründet wird die nun beschlossene Lockerung dennoch mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Rüstungsindustrie. Diese sah sich durch die – im internationalen Vergleich – strengen Exportregeln benachteiligt.
Konkret geht es etwa um die Lieferung von Schweizer Fliegerabwehrsystemen nach Saudi-Arabien. Diese könnten nicht für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden, argumentiert die Wirtschaft. Mit den modernen, softwaregesteuerten Systemen könne man „nur auf Flugzeuge schießen“, erklärte der Vizedirektor des Rüstungskonzerns Rheinmetall Air Defence in einer Fernsehdebatte.
Die Exportregeln für Kriegsmaterial waren erst 2008 verschärft worden. Damit hatte die Schweizer Regierung einer Volksinitiative der Gruppe „Schweiz ohne Armee“ den Wind aus den Segeln genommen. Die Initiative hatte ein weitgehendes Exportverbot für Kriegsmaterial gefordert, fand aber an der Urne keine Mehrheit. Im Abstimmungskampf hatte der Bundesrat beteuert, er werde an einer restriktiven Exportkontrolle und seinem Engagement für die internationale Friedenspolitik festhalten.
Angesichts der jüngsten Kehrtwende fühlen sich nicht nur die Initiatoren der damaligen Abstimmung verschaukelt. Die Regierung habe dem Volk damals Versprechungen gemacht, die nun nicht eingehalten werden, kritisiert Martin Bäumle, Präsident der Grünliberalen und seinerzeit Gegner der Volksinitiative.
Schweizer Waffen auf dem Maidan
In Kiew haben Scharfschützen der Sicherheitskräfte mit Schweizer Gewehren auf Demonstrierende geschossen. Das belegen Filmaufnahmen, die das Schweizer Fernsehen ausgestrahlt hat. Bei den Waffen handelt es sich um lizenzierte Nachbauten eines Schweizer Präzisionsgewehrs. Der Knowhow-Transfer plus die Lieferung von Einzelteilen war 2009 bewilligt worden. Er war gesetzeskonform, da die Ukraine damals nicht in einen bewaffneten Konflikt verwickelt war. Es kommt immer wieder vor, dass legal exportiertes Schweizer Kriegsmaterial in falsche Hände oder Konfliktregionen gerät. So tauchten Schweizer Handgranaten auch im syrischen Bürgerkrieg auf. Sie waren ursprünglich in die Vereinigten Arabischen Emirate geliefert worden.
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