Joseph Hanlon rechtfertigt das chaotische und politisch motivierte Landreformprogramm der regierenden Zanu-PF. Doch dessen Erfolg oder Misserfolg kann man nicht danach beurteilen, wie viele Menschen jetzt vom Land leben. Es kommt darauf an, was dort produziert wird, welche Einkommen verdient werden und ob die Wirtschaft insgesamt profitiert hat. Hanlon übersieht oder ignoriert diesen entscheidenden Punkt.
Er gibt sich alle Mühe, die Leserinnen und Leser nicht mit volkswirtschaftlichen Fakten zu verwirren wie diesen: Im Jahr 2000, als die beschleunigte Landreform begann, erzeugte Simbabwe 3,7 Millionen Tonnen landwirtschaftliche Güter (Plantagenzucker nicht mitgerechnet). 2012 schätzte das Finanzministerium die Produktion auf weniger als die Hälfte davon. Vor gerade zwei Monaten hat die Regierung geschätzt, dass in dieser Saison ein Fünftel weniger gepflanzt wurde, was die Ernte 2013 weiter verringern wird.
Die Nahrungs- und Fleischerzeugung (ohne Rindfleisch) ist von 2000 bis 2012 von drei Millionen auf 1,3 Millionen Tonnen geschrumpft, allein die Getreideernte um über die Hälfte auf 1,1 Millionen Tonnen. Simbabwe verbraucht über zwei Millionen Tonnen Getreide im Jahr; diesen Bedarf konnte es vor der Landreform weitgehend selbst decken und viele Agrargüter exportieren. Jetzt muss es sie importieren – 2012 für rund 731 Millionen US-Dollar, das entspricht elf Prozent der gesamten Einfuhren.
Autor
Tony Hawkins
ist Professor für Ökonomie an der Graduate School of Management der Universität von Simbabwe in Harare. Er schreibt für die „Financial Times“ über Simbabwe.Hanlon verschweigt diese unangenehmen Wahrheiten und konzentriert sich auf sehr zweifelhafte Beschäftigungszahlen. Ihm zufolge beschäftigten „weiße Farmer“ rund 250.000 Arbeiter. Tatsächlich waren aber im formalen Agrarsektor (was nicht dasselbe ist wie „weiße Farmen“) in den 1990er Jahren durchschnittlich über 330.000 Menschen beschäftigt und auf dem Höhepunkt, 1997, über 350.000. Laut der jüngsten verfügbaren Zahl arbeiteten 2010 im formalen Sektor der Landwirtschaft 388.000 Menschen, davon 287.000 auf Höfen von neu Umgesiedelten und die übrigen auf großen kommerziellen Farmen. Diese nennt Hanlon mit einem rassistischen Begriff „weiße“ Farmen, das sind sie aber nicht: Sie gehören dem Staat, einheimischen und internationalen Unternehmen oder Simbabwern aller Hautfarben.
Laut diesen Daten gingen also zwischen 2000 und 2010 insgesamt 224.000 Arbeitsplätze auf kommerziellen Großfarmen verloren, während 287.000 mit der Landumverteilung geschaffen wurden. Netto entstanden 63.000 Jobs – das sind 6000 pro Jahr in einer Zeit, in der die Bevölkerung Simbabwes um 1,5 Millionen Menschen wuchs. Das ist wohl kaum ein Erfolg oder ein Grund, stolz zu sein.
Viele andere unangenehme Wahrheiten lassen Hanlons Loblied auf die Zanu-PF hohl klingen. Daten der Weltbank, die er zustimmend zitiert, zeigen, dass der in der Landwirtschaft erzeugte Mehrwert 2010 inflationsbereinigt geringer war als bei der Unabhängigkeit des Landes 1980 und um mehr als die Hälfte unter dem Höchstwert von 2001 lag. Die landwirtschaftliche Produktion pro Arbeiter stieg von 1980 bis 2001 um ein Drittel und sank dann bis 2010 um mehr als die Hälfte. Arbeiter auf neu vergebenen Farmen verdienen heute ein Drittel bis die Hälfte der auf Großfarmen beschäftigten, und in der Landwirtschaft insgesamt liegt der Durchschnittlohn unter zehn Prozent des Durchschnitts in anderen Sektoren. Wie man daraus schließen kann, dass die Landreform ein Erfolg war, lässt man am besten Hanlon und seine Ko-Autoren selbst erklären.
Die Landumverteilung hat ein niedriges Produktivitäts- und Einkommensniveau in der Landwirtschaft konserviert
Wichtiger noch: Man muss das im Kontext der gesamten Entwicklung sehen. Wirtschaftliche Analysen, die sich wie Hanlon auf einen einzigen Sektor beschränken, führen in die Irre. Er übersieht damit die Spill-Over-Effekte der Landumverteilung auf andere Wirtschaftsbereiche.
Industrie und Landwirtschaft waren und sind in Simbabwe noch eng verzahnt. Der Zusammenbruch der Agrarproduktion spiegelt sich daher in Simbabwes De-Industrialisierung. Das Volumen der Industrieproduktion war 2012 niedriger als 1980 und lag zwei Drittel unter seinem zwischenzeitlichen Spitzenwert. Die Landreform hat das Land keineswegs auf einen Entwicklungsweg geführt, sondern in eine von Mineralien bestimmte Rohstoffwirtschaft, die mit anhaltender De-Industrialisierung einhergeht.
Tatsache ist, dass die Landreform einen Rückgang des Sozialprodukts um 40 Prozent ausgelöst hat – egal wie viele Menschen dadurch schlecht bezahlte Arbeit auf Höfen gefunden haben. Mitte 2012 gab es im formalen Sektor außerhalb der Landwirtschaft 250.000 Arbeitsplätze weniger als Ende der 1990er Jahre – ein Verlust in vierfacher Höhe dessen, was laut Hanlon in der Landwirtschaft entstanden sein soll. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen war der Weltbank zufolge preisbereinigt 2012 um ein Drittel geringer als 2000. Als die Einkommen sanken und Anleger wegen der Missachtung der Eigentumsrechte und des Rechtsstaats insgesamt (die mit den Wahlen von 2002 und 2008 zusammenhing) in Angst gerieten, wurden die nationale Ersparnis und die Netto-Investitionen negativ: Ersparnisse wurden aufgelöst und Kapital abgezogen.
Wenn die Bauern nicht an Wertschöpfungsketten teilnehmen können, fallen sie zurück
Im Prozess der Wirtschaftsentwicklung wechseln typischerweise Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft in die Industrie und in Dienstleistungen. Das Wachstum in China wurde mit dadurch angetrieben, dass nicht benötigte Arbeitskräfte von Höfen mit geringer Produktivität in produktivere Sektoren abwanderten. Die Landumverteilung in Simbabwe hatte genau den entgegengesetzten Effekt und hat ein niedriges Produktivitäts- und Einkommensniveau in der Landwirtschaft konserviert. Auf Dauer muss und wird aber der Anteil der im Agrarsektor Beschäftigten sinken, wenn die Produktivität und der Lebensstandard steigen sollen.
Schlimmer noch: Hanlon zeigt in seinem Text (abgesehen von einem Hinweis auf den Vertragsanbau, der aber mit vielen Problemen einhergeht) keinerlei Verständnis für das moderne Agrarbusiness, das etwas anderes ist als Landwirtschaft allgemein. Was er mit Rassenbegriffen beschreibt – Land von Weißen nehmen und Schwarzen geben –, war viel mehr: Es verschob Arbeitskräfte und Kapital weg von relativ produktiven kommerziellen Farmen, die Geschäftsnetze zu Verarbeitern und Handelsfirmen in Simbabwe und darüber hinaus knüpfen konnten, hin zu Kleinbauern mit geringer Produktivität, die es sehr viel schwerer haben, solche Verbindungen aufzubauen. Doch im Agrarsektor ist die Wertschöpfung am Ende der Lieferketten, bei Verarbeitung und Handel, höher. Wenn Bauern also nicht an Wertschöpfungsketten teilnehmen können, fallen sie zurück.
Am traurigsten ist wohl, dass Hanlon die Einsichten der Institutionen-Ökonomik völlig ignoriert. Wenn man ihm glaubt, spielen Korruption, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte für den Entwicklungsprozess keine Rolle. Er übersieht geflissentlich, dass heute, 13 Jahre nach Einsetzen des Landreformprogramms, dieselben Leute aus der Politik, der Wirtschaft, der Regierung und den Sicherheitskräften dieselbe Sprache wie damals benutzen, um die Enteignung von Bergwerken und Unternehmen zu rechtfertigen. Hanlon und seine Ko-Autoren billigen so etwas oder loben es gar und zeigen damit, dass für sie der Zweck die Mittel heiligt. Sie ignorieren die 60 Prozent der Simbabwer, die in Armut leben, sowie die mindestens 50 Prozent Arbeitslosen. Und sie zeigen, dass ihnen die entscheidende Rolle von starken Institutionen für Entwicklungsprozesse unbekannt ist.
Diese Art Revisionismus mag nützlich sein, um Bücher zu verkaufen oder Wählerstimmen zu fangen. Er trägt aber nichts bei zu seriösen Debatten über die Rolle der Landwirtschaft – speziell der Kleinbauern – für ökonomische Entwicklung in der heutigen globalisierten Wirtschaft.
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